Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernwald Schneider
Vom Netzwerk:
weitere Zigarette an. Während die Flamme des Feuerzeugs sein Gesicht heller zeichnete, raunte er uns zu, ohne eine Miene zu verziehen: »Lassen Sie sich nichts anmerken und sehen Sie nicht hin! Da hinten am Tresen sitzt jemand, der Sie schon seit Längerem beobachtet!«
    Er blies eine feine weiße Rauchsäule in die Luft. »Man könnte geneigt sein zu denken, dass es nur Ihre Schönheit ist, Irene, die ihn fesselt, doch ich habe einen durch lange Erfahrung geschulten Blick, der mir sagt, dass es sich anders verhält. Warten Sie beide ein paar Minuten und sagen Sie mir dann, ob Sie ihn kennen.«
    Im Halbschatten des Tresens saß ein Mann, wahrscheinlich noch jung, jedenfalls nicht viel älter als 30. Soweit man es erkennen konnte, hatte er ein markantes Gesicht – und plötzlich musste ich mir auf die Lippen beißen, damit mir kein Ausruf des Erstaunens entfuhr. Denn auf einmal war ich mir hundertprozentig sicher, dass dies derselbe Mann war, den ich zusammen mit Irene an der meerseitig gelegenen Reling des Liners kurz vor der Abfahrt in Bremerhaven gesehen hatte.
    »Er sieht interessant aus«, unterbrach Irene meine Erinnerung. »Trotzdem kenne ich ihn nicht.«
    Ob es nur eine Ähnlichkeit war? Schlagartig überfielen mich Zweifel. »Nein, nie gesehen«, sagte ich und schüttelte den Kopf.
    Shannon nahm einen Zug von seiner Zigarette und machte uns einen Vorschlag: »Es gibt hier einen Hinterausgang, der in eine Nebenstraße führt. Wenn Sie dort hinausgehen, kann er Ihnen nicht folgen. Vielleicht ist es egal, aber eine Vorsichtsmaßnahme kann ja nicht schaden. Einer meiner Leute kann Sie ins Hotel zurückfahren. Wenn Sie einverstanden sind, werde ich das Nötige veranlassen.«
    Es kam kein Widerspruch von uns, und so verließ Shannon für ein paar Minuten den Tisch. Sobald er zurückgekehrt war, sagte er: »Dort hinten – neben der Tür zur Toilette – geht es in die Küche. Gehen Sie geradeaus durch; am Ende führt eine Tür direkt in eine Gasse. Dort wartet der Wagen auf Sie. Ich habe bereits veranlasst, Irene, dass man Ihren Mantel zum Wagen bringt.« Er erhob sich. »Ich verlasse Sie jetzt und freue mich auf unser Wiedersehen morgen Abend.« Er ging in Richtung der Toilette davon.
    Irene blickte mich an. »Was halten Sie von ihm?«
    »Ich möchte ihn nicht gern zum Feind haben.«
    »Ja«, bestätigte sie, »es wäre gewiss falsch, ihn zu unterschätzen.«
    Wir tranken unsere Gläser leer, standen auf und gingen ohne Weiteres auf die von Shannon bezeichnete Tür zu.
    Ein Mann in weißer Schürze winkte uns durch die hell erleuchtete Küche und zeigte uns die Tür, die nach draußen in die kleine Gasse führte.
    Eine schwarze Limousine stand mit laufendem Motor am Straßenrand. Der Fahrer, dessen Gesicht eine Schirmmütze verbarg, stand mit Irenes Mantel in der Hand neben dem geöffneten Wagenschlag. Er half Irene in den Mantel, ließ uns einsteigen und warf die Tür hinter uns zu. Dann stieg auch er ein. Gleich darauf brauste der Wagen davon.
    »Morgen Vormittag könnten wir einen Stadtbummel durch Manhattan unternehmen«, sagte ich zu meiner Begleiterin, während der Wagen durch lebhaften Verkehr die Fifth Avenue hinaufsteuerte.
    »Nein, Eugen«, antwortete Irene. »Ich habe mir überlegt, dass ich mich morgen lieber ausruhen möchte. Wir sehen uns am Abend.«
    Ich spürte, dass ich sie von ihrem Entschluss nicht würde abbringen können, gab jedoch nicht auf: »Gut! Vielleicht könnten wir ja jetzt irgendwo ein Gläschen trinken?«
    Sie schüttelte mit einem leisen Lächeln den Kopf. »Nein, Eugen, das machen wir morgen Nacht. Haben Sie einen einzigen Tag Geduld!«
    Noch bevor wir das Plaza erreichten, gab sie dem Fahrer ein Zeichen, dass er anhalten möge. Nachdem der Wagen am Straßenrand gestoppt hatte, drückte sie meine Hand und sagte: »Morgen Abend um zehn Uhr werde ich hier an dieser Stelle auf Sie warten. Wir werden uns nicht verpassen – aber lassen Sie mich rasch einen letzten Blick auf die Adresse werfen.«
    Überrascht zog ich den Zettel aus der Tasche, und ihre Lippen murmelten unhörbar die notierte Adresse, dann lächelte sie mir ein letztes Mal zu, sprang aus dem Fond und lief davon.

8
    Ins Plaza zurückgekehrt, fragte ich mich nicht ohne Erstaunen, wie ich es eigentlich versäumt haben konnte, Irene nach dem Namen ihres Hotels zu fragen. Sollte sie mich versetzen, wie sie es schon einmal getan hatte, würde der Versuch, sie wiederzufinden, ein hoffnungsloses Unterfangen sein.
    Lange

Weitere Kostenlose Bücher