Spittelmarkt
wir unsere Entwürfe aufeinander ab!«, sagte ich. »Ich fahre nicht wieder nach Hause, bevor ich nicht mit Florence gesprochen habe.«
Warburg nickte. »Okay! Versuchen wir es einmal!«
Eine Weile bewegten wir uns unter den schattigen Bäumen schweigend dahin. Mir war danach, noch etwas zu sagen, um meinem eigenen Anliegen Nachdruck oder so etwas wie einen moralischen Impetus zu verleihen, doch plötzlich tauchten die starren toten Augen und die schmalen blauen Lippen des kleinen Professor Wolfrath vor meinem inneren Auge auf, was dazu führte, dass ich schweigsam blieb.
Bald darauf erreichten wir den Vorgarten und standen kurz danach in der Auffahrt zu dem herrschaftlichen Haus.
»Ich muss ein paar Telefongespräche führen«, sagte Warburg. »Danach hören Sie von uns; möglicherweise heute Abend noch, spätestens jedoch morgen.« Eine Weile blickte er zu den Bäumen, als hinge er einer lange vergessenen Erinnerung nach. Er wirkte ein wenig befremdet. Dann schaute er jäh auf. »Ein Treffen mag doch von Vorteil sein«, murmelte er. »Zeit und Ort werden Sie in Kürze erfahren.«
7
Kleine schwarze Wolken segelten vor der sinkenden Sonne am Horizont dahin. Südöstliche Winde, die das warme Herbstwetter gebracht hatten, führten vor der hereinbrechenden Dämmerung einige Regenwolken heran. Nachdem das Taxi nach einer guten halben Stunde die Stadtgrenze erreicht hatte, war es dunkel geworden. Der Wagen fuhr durch weniger beleuchtete Außenbezirke und erreichte die Brooklyn Bridge, glitt auf ihr über das schwarze Wasser hinweg. Kurz darauf tauchte die Limousine in das unendliche Lichtermeer Manhattans ein.
Vor dem Plaza bedeckte die dünne Wasserhaut eines leichten Sommerregens die Straßen. Der livrierte Portier ließ mich durch die gläserne Tür des Plaza schreiten. Als ich an der Rezeption stand, um meinen Zimmerschlüssel in Empfang zu nehmen, teilte mir der Hotelangestellte nach einem Blick in sein Fach mit: »Mr. Goltz, Sie haben Besuch!«
Mein Blick folgte den Augen des Portiers, die sich hinüber zu einer Sitzgruppe aus schweren Lederfauteuils bewegten. Freundlich angeordnet, bemerkte man kaum die Menschen, die dort saßen. In diesem Augenblick erhob sich aus einem der Sessel eine anmutige Gestalt, eine junge Frau im Regenmantel. Noch bevor sie sich der Rezeption mit hohen und selbstbewussten Schritten näherte, schien der Schimmer ihrer Augen die Entfernung zwischen uns zu überbrücken. Gleich darauf schaute ich betroffen in Irene Varos wunderschönes Gesicht.
»Wir hatten eine Verabredung«, sagte sie mit einem Augenzwinkern. »Ich weiß, ich komme spät, hoffentlich werden Sie mir meine Unpässlichkeit von vorgestern Abend verzeihen.«
Ihre Augen ließen mich alles, was ich in den letzten zwei Tagen über sie gedacht hatte, mit einem Mal vergessen. Mit einem heißen Glücksgefühl umfingen mich ihre Schönheit und ihr Lächeln. »Und ich dachte, Sie hätten mich vergessen!«, war alles, was ich nach einigen Momenten der Sprachlosigkeit herausbrachte.
»Ich habe beschlossen, zwei weitere Tage in New York zu bleiben«, entgegnete sie zart. »Wir könnten etwas gemeinsam unternehmen.«
»Eine gute Idee! Wohnen Sie auch hier im Hotel?«
»Nein. Aber mein Hotel befindet sich ganz in der Nähe.«
»Und Herr Helmholtz?«
»Hat bereits den Zug nach Los Angeles bestiegen.«
»Wie kommt es, dass er ohne Sie gefahren ist?«
Sie lächelte. »Ich habe ihm gesagt, er soll allein fahren; ich käme in ein paar Tagen nach. Wie ich ihn kenne, ist er ganz froh, mich für eine Weile losgeworden zu sein.«
Alle Bedenken, die aus meinen verborgenen Zweifeln an ihren Motiven rührten, hatten gegen ihre aufreizende Finesse keine Chance. Darum versuchte ich gar nicht erst, gegen diese Wirkung anzukämpfen.
»Wir werden uns diese beiden Tage auf interessante und angenehme Weise vertreiben können«, versprach ich. »Wir sollten heute Abend noch damit beginnen, wenn Sie möchten.«
»Vielleicht finden wir ja irgendwo eine nette Bar«, schlug sie vor. »Der Portier kann uns bestimmt ein Lokal empfehlen.«
Ich wandte mich um, den Mann zu fragen, den ich weiterhin in unserer Nähe wähnte, doch da hielt mir dieser bereits einen Telefonhörer hin und sagte: »Mr. Goltz, ich habe ein Gespräch für Sie.«
Ich nahm den Hörer ans Ohr.
»Shannon«, meldete sich eine männliche Stimme. »Sie kennen mich nicht. Ich bin ein Freund von Florence Arnheim und spreche in ihrem Auftrag. Wir sollten uns noch heute Abend
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