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Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernwald Schneider
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wirklich Ihre Ansicht, Florence, oder geben Sie nur die Auffassung von Leuten wie Warburg und bestimmter ihm nahestehender Kreise hier in Amerika wieder?«
    »Jüdischer Kreise, wollten Sie sagen, nicht wahr?«
    »Verstehen Sie mich nicht falsch, Florence. Hitler ist bekanntermaßen ein Antisemit, deshalb scheint es verständlich, dass die Juden ihn nicht mögen. Doch mit den Sachen, die manche Leute über ihn und seine Partei in die Welt setzen, wird der Bogen bei weitem überspannt.«
    »Sie scheinen zu vergessen, Eugen, dass ich – anders als Warburg und seine Freunde – bis vor ein paar Monaten in Deutschland gelebt habe. Es gab eine Zeit, da hätte ich Ihnen zugestimmt oder genauso gesprochen wie Sie – nun tue ich das nicht mehr. Die Situation ist wirklich ernst.«
    »Allerdings nicht so ernst, dass Sie um Ihr Leben fürchten müssen, Florence!«
    »Ich fürchte nicht um mein Leben, Eugen. Das Heil meiner Seele ist mir wichtiger geworden als meine irdische Existenz. Ich weiß, wer ich bin. Der Tod mag zu mir kommen – ich habe keine Angst vor ihm.«
    »Der Tod mag sich ruhig Zeit lassen, Florence. Und ich denke, das wird er auch! Aber lassen Sie uns von etwas anderem sprechen! Philipp, Ihr Ehemann, möchte ebenso wie Sie die Scheidung, und er möchte auch dieses Dokument zurück. Sie wüssten Bescheid, worum es dabei geht. Er trug mir ausdrücklich auf, Ihnen zu versichern, dass alles in Ordnung sei, wenn Sie mir das Dokument aushändigen.« Ich griff in die Innentasche meines Jacketts. »Er gab mir seinerseits diesen Brief hier für Sie!«
    Sie nahm den Brief entgegen, ohne ihn anzusehen. »Ich weiß, welches Dokument er meint«, sagte sie. »Es war natürlich eine Unvorsichtigkeit von mir, dass ich dieses Schriftstück an mich genommen habe. Ich wollte es einem Freund zukommen lassen, habe es in seiner Bedeutung jedoch überschätzt. Im Grunde ist es wertlos. Sie sollen das Dokument haben. Es befindet sich oben in meiner Wohnung und liegt dort schon für Sie bereit. Ich werde es Ihnen holen.«
    »Es muss nicht sofort sein, Florence! Wir sollten morgen mit Warburg zusammenkommen und die schriftliche Vereinbarung treffen, die ich vorbereitet habe. Dann können Sie mir auch dieses Schriftstück geben.«
    »Ich möchte es loswerden«, widersprach sie mir. »Ich werde gehen und es Ihnen holen – wer weiß überhaupt, wie viel Zeit noch bleibt.«
    Sie sah eine Weile stumm vor sich hin; plötzlich blickte sie auf und trat ganz dicht an mich heran. »Nehmen Sie mich in die Arme, Eugen«, flüsterte sie, »und drücken Sie mich ganz fest!«
    Ich presste ihren schmalen Körper eng an mich, sie war ganz warm, ja, heiß, als hätte sie Fieber.
    »Kommen Sie in zehn Minuten in den Gang hinaus«, sagte sie. »Ich möchte nicht, dass jemand von meinen Beschützern sieht, wenn ich Ihnen das Dokument gebe. Übrigens sollten Sie es auch vor Ihrer Begleiterin verbergen, sonst könnte es passieren, dass Sie das Schriftstück bald wieder loswerden.« Sie löste sich von mir und war gleich darauf verschwunden.
    Ich blieb vor dem Fenster stehen und starrte sinnend in das nächtliche Lichtermeer hinaus. Berlin war wirklich sehr weit fort, dachte ich, und doch schien ein unheimlicher Schatten von dort bis hierher über den großen Teich zu dringen.
    Die Minuten verstrichen. Als die Zeit um war, drehte ich mich von dem Fenster fort und schlenderte zum Ausgang. Ich fragte einen Herrn, der mir an der großen Flügeltür zum Gang begegnete, nach der Toilette. Dieser wies mit der Hand auf eine Tür im weiteren Verlauf des Flures.
    Nach ein paar Schritten kam mir Florence entgegen und drückte mir einen Umschlag in die Hand, den ich sogleich in der Innentasche meiner Jacke verstaute.
    »Ich werde diese Gesellschaft in Kürze verlassen, Eugen«, gab sie bekannt. »Wegen allem Weiteren wenden Sie sich bitte an Warburg. Er wird die von Philipp gewünschte Vereinbarung für mich unterschreiben. Hoffentlich sehen wir uns bei einer anderen, besseren Gelegenheit einmal wieder!« Sie wandte sich zum Weitergehen. »Adieu, mein Lieber, grüßen Sie Berlin. Ich hatte glückliche Tage in dieser unvergleichlichen Stadt. Doch was ist das Leben ohne Veränderung? Alles geht einmal vorüber.«
    »Florence –«, sagte ich, aber sie hörte nicht und war gleich darauf wieder um die Ecke verschwunden.
    Ich kehrte auf die Party zurück, froh immerhin, dass ich das Dokument besaß, aber auch auf eine wehmütige Weise traurig gestimmt.
    Wo war Irene? Ich

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