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Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernwald Schneider
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offenbar nicht mehr der Herr im eigenen Haus.
    Was sollte ich nur tun? Am besten wäre es wohl, sagte ich mir in einem Anflug von Hellsichtigkeit, ich wartete erst einmal ab, bis die Wirkung der Droge nachgelassen hatte und der Albtraum damit hoffentlich vorüber war.
    Ich stieg eine weitere Rundung nach oben und ließ mich, die Wand am Rücken, auf den Stufen nieder, stützte den Kopf in die Hände und schloss die Augen. So saß ich da, ohne an etwas zu denken, und bleierne Müdigkeit senkte sich auf mich herab. Alles war schwarz, finster und bodenlos, trotzdem ließ ich mich fallen, mitten in das Dunkel hinein. Dunkle Gestalten, die mich nicht mehr schreckten, umschwebten mich. Ich war ungefähr an dem tiefsten Punkt der Finsternis angelangt, als ich das grüne Licht wieder sah. Es schien keinen Regeln mehr zu gehorchen, stieg auf und fiel nieder, verteilte und zerstreute sich, wurde schwächer und trübte sich ein, bis es schließlich von schwarzen Feldern aufgesogen wurde. Es drohte in den Fugen der dunklen Mauer zu versickern. Ein neuer Strahl grünen Lichts brach sich seinen Weg in die Schwärze hinein, wurde weiter unten gebrochen und kam dann in erneuerter Form auf mich zu, eilte aus der Tiefe die sich steil windende Treppe herauf, umhüllte mich und lief an mir vorbei und über mich hinaus, als existierte dort oben eine geheimnisvolle Kraft, die das Licht anzog.
    Ich schreckte auf und stieß mit dem Kopf gegen die Mauer. Mit einem Blick nach oben kam es mir vor, als ob es in dem steilen Gewölbe, durch das die unheimliche Wendeltreppe führte, ein wenig heller geworden war.
    War es schon das Morgengrauen, das durch ein verborgenes Fenster drang? Ich starrte auf meine Armbanduhr; nein, das war nicht möglich, denn es war erst kurz nach halb zwei. Ich setzte mich auf und erhob mich mühsam, stieg ein paar Stufen höher und da erblickte ich schräg über mir in der Mauer einen schmalen Spalt rötlichen Lichts, der bei näherem Betrachten tatsächlich aussah wie die Umrisse einer ganz normalen Tür.
    Zuerst konnte ich es kaum glauben und argwöhnte, einer weiteren Sinnestäuschung erlegen zu sein – doch tatsächlich, da war eine Tür. Ich nahm die wenigen Stufen bis dorthin und sah den etwas größeren Spalt am linken Rand, der einer nicht ganz verschlossen Tür glich. Die Tür gab nach, sobald ich dagegen gedrückt hatte, und dahinter lag ein Gang, der in ein rot schimmerndes Licht getaucht war.
    Erleichtert schlüpfte ich hindurch. Der Flur dahinter war aus Marmor, ein dicker Teppich auf dem Boden, dunkle Bilder an den Wänden, Masken, Spiegel, alte Waffen, gekreuzte Degen und Pistolen aus der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs; aber es war nicht die Wohnung von Shannon. Der Flur machte einen Bogen, genauso wie in der anderen, wahrscheinlich höher gelegenen Etage, wo die Party stattfand. Er führte, bevor er einen weiteren Bogen beschrieb, an einer Zimmertür vorüber, die offen stand.
    Als ich mich der Tür genähert hatte und in den Raum hineinblicken konnte, erstarrte ich zu einer Salzsäule, so sehr wurde ich von der grellrot beleuchteten Szene, die sich vor meinen Augen abspielte, angezogen und gebannt.
    Sie waren zu dritt, Irene, Florence und ein Mann; ein junger, sehr schöner Mann mit braunem Haar, das dem von Irene ähnelte. Sie waren nackt, drei unbeschreiblich begehrenswerte Gestalten, die sich in einem Zustand orgiastischer Ekstase befanden und sich dabei in- und aneinander vorbei bewegten, mit glasigen Augen, die nichts und niemanden mehr sehen konnten.
    Irene war perfekt; makellose Haut; eine in den allerschönsten Verhältnissen gebaute, gertenschlanke Figur, eine erotische Göttin. Florence lag in den Armen von Irene, in der Mitte des Raums auf der Seite, während der Mann von hinten in sie eindrang. Ich hörte ihr Wimmern, ihre Schreie, ihr nicht mehr beherrschtes Jauchzen, alles merkwürdig leise und doch intensiv, die ganze Szene war von einer eigentümlichen Stille und Schwerelosigkeit durchweht, als hätte dieses Zusammenspiel von Schönheit und Lust vor meinen Augen einen Zustand höheren Seins angenommen, sei hierdurch in ein unsichtbares Magnetfeld eingehüllt worden und vor jedem Eindringen Unbeteiligter geschützt.
    Wie lange ich ihnen zusah, hätte ich nicht sagen können, wie lange auch immer es war, die zügellose Lust dieser drei entzückenden Körper ließ nicht nach, sondern schien sich nur zu steigern, immer noch weiter, bis endlich in nicht mehr menschliche, sondern

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