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Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernwald Schneider
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Stockwerke hinter sich zu lassen. Schließlich kam ich zu dem Ergebnis, dass ich mich schon beinahe unter der Erde befinden müsste.
    Und wenn es nun ständig so weiterging? War es möglich, dass sich das Gebäude genauso weit, wie es sich in den New Yorker Himmel erhob, auch in den Untergrund der Stadt erstreckte, gleich einem Baum, von dem man nur die obere Hälfte sah? Nein, das war natürlich Unsinn; aber selbst wenn: Warum gab es denn nirgendwo einen Ausgang?
    Es musste an der verdammten Droge liegen! Sie führte mir ein Szenario vor Augen, das es gar nicht gab! Offenbar war ich ein Gefangener meines eigenen Wahns.
    Plötzlich war mir, als ob das Licht im Treppenhaus schwächer geworden war, doch als ich wieder weiterging, waren unter mir nur Schatten zu sehen. Was war mit der Treppenhausbeleuchtung passiert? Ich stieg ein paar Stufen tiefer und erstarrte, nachdem ich im Zentrum der Schatten einen schwachen, grünlichen Schimmer bemerkt hatte, der aus der Tiefe heraufzudringen schien. Ich kniff die Augen zusammen und sah genauer hin, nur um sicherzugehen, dass ich mich nicht irrte, allerdings trog mein Eindruck nicht; von irgendwo dort unten drang ein grüner Lichtschimmer zu mir herauf.
    Ich zögerte. War es nicht besser, den Weg zurück nach oben anzutreten? Während ich dastand und unschlüssig in die Tiefe starrte, hatte ich den Eindruck, dass der Schimmer sich verstärkte. Vorsichtig brachte ich einige weitere nach unten führende Stufen hinter mich und hatte dabei nun das äußerst unbehagliche Gefühl, dass jeder weitere Schritt mich zugleich einem Abgrund entgegenführte, aus dem es von irgendeiner Stufe an keine Möglichkeit des Entkommens nach oben mehr für mich gab.
    Dann passierte etwas Ungewöhnliches. Zunächst dachte ich, dass es nur mein eigener Atem war, den ich hörte, doch ich bemerkte, dass da noch andere Geräusche, wohl sogar Stimmen waren, ohne dass dort unten jemand zu sehen war. Ich stand still und lauschte. Kamen die Stimmen denn tatsächlich von unten? Kamen sie nicht von oben? – Oder von irgendwo hinter meinem Rücken? Am liebsten hätte ich mich geschüttelt, denn ich konnte die Stimmen nicht orten; sie schienen von überall zu kommen; offenbar hatte ich, was die Herkunft dieser Stimmen und Geräusche anging, vollkommen die Orientierung verloren. Nichtsdestoweniger kam es noch schlimmer, denn mit einem Mal fühlte ich, wie der Boden unter meinen Füßen zu vibrieren begann – zuerst ganz sachte, dann zunehmend deutlicher. Ich blickte erschrocken nach unten, wo das grüne Geflacker stärker geworden war und regelrecht zu pulsieren begann, als handelte es sich dabei um eine lebende, nicht zu definierende Energie.
    Es war die Droge – ich steuerte allmählich auf einen Höllentrip zu.
    Abrupt machte ich kehrt und trat den Rückweg nach oben an. Rundung um Rundung eilte ich die Stufen nun aufwärts. Bald darauf hörte ich lediglich meinen eigenen Atem, da die körperliche Anstrengung alle anderen Geräusche verdrängt hatte. Sobald ich wieder stillstand, um eine Weile zu verschnaufen, und nach unten blickte, sah ich das grüne Licht nicht mehr. Allerdings hatte ich das Gefühl, noch nicht weit genug nach oben vorgedrungen zu sein und so eilte ich weiter in die Höhe, in der Hoffnung, endlich ein vertrautes Zeichen zu erkennen, vor allem eine Tür, durch die ich dem verdammten Treppenhaus würde entfliehen können; aber auch über mir war nichts außer die schattenhafte, gedämpft erleuchtete Unendlichkeit, so gleichförmig in die Höhe gezogen, als gäbe es dort oben nichts anderes mehr. Mir wurde bei diesem Anblick, als hätte ein Mahlstrom des Unwirklichen mich erfasst. Wo blieb bloß die Tür, durch welche ich in dieses verfluchte Labyrinth geraten war?
    Inzwischen rann mir der Schweiß in Bächen von der Stirn. Ich hielt erneut inne und mir kam der Gedanke, ob etwa die Türen nur von den Wohnungen aus, nicht vom Treppenhaus her zu erkennen waren, weil sie für den oberflächlichen Blick mit dem Mauerwerk verschmolzen waren, sodass ich sie allesamt in meinem berauschten und verwirrten Zustand übersehen hatte.
    Verzweifelt starrte ich die kalten Mauern an, hob die Fäuste und hämmerte wie aus Protest dagegen. Ich fühlte mich im Treppenhaus wie ein lebendig Begrabener, eingemauert in eine Gruft, aus der es keinen anderen Ausweg mehr gab als den Tod. Meine Fäuste schmerzten und plötzlich hörte ich Schreie, doch schnell verstand ich, dass es meine eigenen waren; ich war

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