Spittelmarkt
Adresse?«
»Sie wohnt bei Freunden – ich weiß aber nicht, bei welchen. Was wollen Sie von ihr?«
»Wir hatten eine Verabredung, die sie nicht eingehalten hat. Unlängst waren wir Reisegefährten auf der ›Bremen‹ unterwegs nach Amerika. Sie ist mir von der Reise etwas schuldig geblieben.«
Seine dunklen Augen fixierten mich. »Wer hat Ihnen meine Adresse gegeben?«
»Ich fand sie im städtischen Einwohnerverzeichnis.«
»Das halte ich für ausgeschlossen!«, erwiderte er. »Ich wohne noch kein Jahr in dieser Wohnung. So schnell sind die mit ihrem Verzeichnis nicht.«
»Offenbar haben sie es gerade erneuert«, schickte ich hinterher, ohne mich von diesem Einwand beirren zu lassen. »Ein glücklicher Zufall.«
Er starrte eine Weile an mir vorbei in das dunkle Treppenhaus, als versuchte er, auf eine Frage, die ihn bewegte, eine Antwort zu finden.
»Kommen Sie auf einen Moment herein«, sagte er schließlich so leise, dass ich dachte, er hätte Angst, von jemandem gehört zu werden. »Ich weiß jetzt, wer Sie sind!«
Das Licht im Wohnzimmer kam von einer kleinen Ecktischlampe und erhellte das Bild vom düsteren Ritter an der Wand.
»Sie haben Irene geholfen, als dieser irre Amerikaner ihr ans Leben wollte, nicht wahr?«, fragte Olden, der unter dem Dürer-Bild Platz genommen hatte. »Was für ein Narr! Wenn Sie nicht eingeschritten wären, hätte dieser Irre ihr womöglich wirklich etwas angetan. Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
»Wo waren Sie selbst, als diese Sache passierte?«
»Ich war noch auf dem Weg zum Hotel und wäre zu spät gekommen«, erwiderte Olden freimütig. »Ich traf Irene auf dem Gang. Wir haben New York schleunigst verlassen und sind am selben Tag nach Boston gefahren. Von dort sind wir wieder nach Deutschland zurückgekehrt.«
»Ich habe mich demzufolge nicht geirrt, dass Sie das waren, den ich in Mr. Shannons Bar gesehen habe. Waren Sie auch auf der ›Bremen‹ schon mit von der Partie?«
Er nickte. »Selbstverständlich!«
»Und warum habe ich Sie während der Reise nie gesehen?«
»Wie viele Passagiere waren auf dem Schiff? Tausend – oder mehr?«
»Ich hätte angenommen, dass Sie sich gelegentlich in der Nähe Ihrer Schwester aufhalten würden.«
»Wir hatten eine Kabine gemeinsam.«
»Herr Helmholtz schlief demnach allein?«
Er nickte. »Richtig!«
»Wozu diese Tarnung mit dem Schauspieler?«
»Wir wollten nicht, dass man uns zu große Beachtung schenkt. So geschieht es uns doch üblicherweise, wenn wir zusammen auftreten oder uns gemeinsam sehen lassen. Wir reisen ganz gern inkognito. Man kann nicht immer nur im Mittelpunkt stehen.«
»Und ich dachte schon, Sie hätten etwas zu verbergen.«
Er kniff die Brauen zusammen. »Warum dachten Sie das?«
»Na, weil dieser Amerikaner einen so furchtbaren Zorn auf Irene hatte.«
»Weshalb dieser Mann durchgedreht ist, kann ich Ihnen nicht sagen. Möglicherweise liegt es daran, dass er bei ihr nicht zum Zuge kam.«
»Was ist mit Florence Arnheim passiert?«
»Ich hörte, dass sie gestorben ist.«
»Und ich hörte, dass sie in der Armen Ihrer Schwester starb. Waren Sie auch dabei zugegen?«
Er blickte mich dunkel an und ähnelte nun ganz Dürers düsterem Ritter.
»Darüber werde ich mit Ihnen nicht sprechen«, ließ er sich vernehmen.
»Weshalb haben Sie die Reise gemacht?«
»Irene und ich wollten uns erkundigen, wie es um Arbeitsmöglichkeiten in Amerika bestellt ist. Helmholtz sollte versuchen, uns beim Film unterzubringen. Das alles hat sich dann wegen dieses verrückten Barbesitzers, der Irene verfolgte, zerschlagen.«
»Bedauerlich, ja wirklich, wo Leute wie Irene und Sie in diesem Geschäft doch händeringend gesucht werden! Ich hatte bereits Gelegenheit, Ihre Fähigkeiten zu bewundern. Es war auf einer Veranstaltung, kurz vor Weihnachten. Sie hatten einen gemeinsam Auftritt mit einem Mädchen, das Veronika heißt.«
Ich spürte die geballte Kraft seines festen Blicks.
»Ach«, sagte er nach einer Weile, »Sie waren unter den Zuschauern dieser vorweihnachtlichen Veranstaltung? Wer hatte Sie denn dazu eingeladen?«
»Herr Santor höchstpersönlich.«
Er starrte mich an, hatte aber seine Überraschung schnell überwunden. »Die Vorstellung hat Ihnen somit gefallen?«
»Ich war ehrlich beeindruckt! Sie haben das wirklich ganz fantastisch gemacht! Allen Respekt!«
Er zwang sich zu einem Lächeln und entgegnete: »Danke für das Kompliment.«
»Wer war eigentlich dieser Zauberpriester?«
»Haben Sie ihn
Weitere Kostenlose Bücher