Spitze Buben
nicht gerade wie ein Schmeichler auf mich wirkte.
Efeu steckte seinen Rüssel in mein Büro und erstarrte. Dann stieß er einen erschreckten Schrei aus. Der erste Durchbruch in seinem Sechs-Wort-Muster. Der Richtung nach zu urteilen, in die er sah, mußte er einen Blick auf Eleanor geworfen haben. Dieses Bild hat für Menschen, die mit dem Wahnsinn auf Du und Du stehen, einige Aussagekraft.
Schmeichler spreizte sein Gefieder, stolz darüber, daß ihm wieder eingefallen war, wie er hieß.
»Kommt mit in die Küche, Jungs. Wir genehmigen uns ein Bier und einen kleinen Imbiß.« Vermutlich hatten sie seit ihrer Flucht aus dem Krankenhaus nichts gegessen. Freiheit hat auch ihre Schattenseiten.
Schmeichler nickte und grinste. Efeu ignorierte mich. Er schlurfte über den Flur und betrat das Zimmer des Toten Mannes. Der Schock, der ihn dort erwartete, war noch schrecklicher als das Entsetzen in den Schatten hinter Eleanor. Der Tote Mann ist weder ein Pelzknäuel noch niedlich oder kuschelig. Und man verliebt sich auch nicht auf den ersten Blick in ihn, weil er so süß ist.
Ich holte Efeu raus und schleifte ihn in die Küche. Wir setzten uns an den Tisch und aßen kalten Braten, Gepökeltes, Käse und Senf, der einem die Tränen in die Augen trieb. Entsprechend waren die Mengen Bier, die wir in uns hineinschütteten. Als Schmeichler und Efeu langsamer wurden, so daß sie zwischen den Bissen auch Luft holen konnten, stellte ich ihnen eine Frage: »Könnt ihr Jungs auch irgendwas?«
»Hä?« Das war Schmeichler. Efeu goß sich einen weiteren Humpen Bier hinter die Binde. Es war sein fünfter. Er wirkte etwas aufmerksamer, ähnelte mehr einem Menschen. Allmählich wurde mir die Natur seines Wahns klar: Er war ein Säufer.
»Was habt ihr gemacht, bevor man euch da reingesteckt hat?«
Schmeichler begann ein neues Zwiegespräch mit seiner Erinnerung.
Und ich fragte mich, wie er wohl vor seinem Abenteuer in der Klapse klargekommen war.
Efeu leerte seinen Humpen und machte sich auf den Weg zum Kühlschacht. Ich packte ihn am Handgelenk. Es war nicht sehr schwierig, ihn wieder auf seinen Platz zu drücken. »Wir wollen es nicht übertreiben, Efeu.«
Er starrte eine geschlagene Minute auf seinen Teller und schob sich dann ein Stück Fleisch in den Mund. Er kaute lange, und nachdem er es heruntergeschluckt hatte, erschreckte er mich mit mehreren ganzen Sätzen. »Man kann nicht vergessen zu essen, Garrett. Das ist das einzige, woran man sich festklammern kann. Man kann nicht vergessen zu essen.«
Ich starrte ihn an, genau wie Schmeichler. Dann heulte Schmeichler auf: »Verdammt, verdammt, verdammt, Garrett! Er redet. Was haben wir gemacht? Ich hab' ihn noch nie sprechen hören!«
Dieser Vorfall schien Schmeichlers Intellekt in Gang gesetzt zu haben. Er ließ einen Wortschwall auf Efeu los und versuchte, ihn auszuhorchen. Aber Efeu wollte nicht ausgehorcht werden. Er starrte auf seinen Teller und stocherte in seinem Essen herum. Nur ein einziges Mal sah er auf. Und da warf er einen sehnsüchtigen Blick auf den Kühlschacht. Das Objekt seiner Begierde, mein Fäßchen, lag dort ganz allein und einsam.
»Also?«
Schmeichler sah mich an. »Hä?«
»Ich hab' dich gefragt, was du draußen gemacht hast, bevor sie dich eingeliefert haben.«
»Wieso willst du das denn wissen?« Das Feuer des Genies brennt bei ihm nicht lange.
Ich mußte mich beeilen, bevor er wieder abbaute. »Weil ich dann, wenn ich erfahre, was du tust, vielleicht jemanden finde, der dich dafür bezahlt.« In TunFaire gibt es keinen Mangel an Arbeit, sei sie nun rechtschaffen oder nicht. Das liegt an all den jungen Männern, die ihre Zeit im Cantard ableisten oder dort ihr Leben lassen.
»Meistens arbeite ich als Leibwächter. Als ich damit angefangen hab', war ich ziemlich gut in dem Job. Aber ich vermute, ich hab' mir unten im Süden was eingefangen. Danach jedenfalls fing das mit den Aussetzern an. Ich machte Fehler. Einmal hab' ich einen richtig guten Job vermasselt, den ich hauptsächlich wegen meiner Größe bekommen hatte. Der nächste, den ich angenommen hab', war nicht ganz so gut, und den hab' ich auch versiebt. Auf ging's zum nächsten, aber die Aussetzer wurden immer schlimmer und schlimmer. Manchmal konnte ich mich an nichts erinnern. An gar nichts. Nur hab' ich allmählich das Gefühl gekriegt, daß ich in dieser Zeit Dinge tat, die nicht richtig waren. Vielleicht sogar echt schlimme Sachen, aber was auch immer es gewesen sein mochte, niemand
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