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Spitze Buben

Spitze Buben

Titel: Spitze Buben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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Schönchen gelegen hätte.
    Die Gasse war noch schlimmer, als ich mich erinnerte. Der Müll stand höher, der Schlamm war rutschiger und der Gestank war intensiver. Der Grund dafür war einfach. Jeden Tag wird die Lage schlimmer als am Tag zuvor. TunFaire bricht langsam auseinander. Es versinkt in seinem Abfall. Und keiner schert sich einen Deut darum.
    Na ja, einige vielleicht. Aber es sind nicht genug. Es gibt genauso viele Splittergruppen wie Rezepte, aber jede Gruppe kümmert sich hauptsächlich darum, Häretiker und Abtrünnige zu entsorgen, was wesentlich einfacher ist, als den Zustand der Stadt zu verbessern.
    Ich und mich beschweren? Das Chaos ist gut fürs Geschäft. Wenn ich es nur über mich brächte, Gesetzlosigkeit als Boom zu betrachten.
    Kein Wunder, daß meine Freunde mich nicht verstehen. Ich verstehe mich ja selbst nicht.
    In der Gasse suchten tatsächlich Rattenmänner Schutz. Sie war so unbedeutend, daß sie nicht mal einen Namen trug. Ich stieg über einen Rattenmann und seine Bettgenossin, eine Weinflasche, und betrat Schönchens Geschäft.
    Eine Glocke bimmelte. Mochte die Gasse finster gewesen sein, die Klitsche hier war noch viel düsterer. Behutsam schloß ich die Tür und wartete, bis meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Ich bewegte mich nicht schnell, und atmete nicht zu tief, aus Angst, etwas umzuwerfen.
    Ich erinnerte mich wieder.
    »Verdammt noch eins! Es ist das Garrett-Balg! Dachte, du hättest schon vor Jahren die Augen für immer geschlossen. Als sie dich in den Krieg geschickt haben.«
    »Freut mich auch, dich wiederzusehen, Schönchen.« Hoppla! Das war ein großer Fehler. Sie haßte diesen Namen. Aber offenbar war sie heute in großzügiger Stimmung. Sie reagierte nicht. »Siehst gut aus. Danke für deine Anteilnahme. Ich hab' meine fünf Jahre abgerissen und es nach Hause geschafft.«
    »Bist du sicher, daß du nicht gekniffen hast? Die Garrett-Männer kehren nie zurück.«
    Das versetzte mir einen Stich. Weder mein Bruder noch mein Vater, noch mein Großvater waren heimgekehrt. Es wirkte fast wie ein Naturgesetz: War dein Name Garrett, hing dir das glorreiche Privileg an, für Krone und Vaterland den Arsch zukneifen zu dürfen. »Ich hab' dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen, Tilly.« Schönchens wirklicher Name war Tilly Nooks. »Vermutlich hat das alte Gesetz der Serie jetzt die Venageti am Arsch.«
    »Oder du bist gerissener als die anderen Garrett-Männer.«
    Ich hatte schon vorher solch gefühlvolle Andeutungen gehört. Tilly sprach sie nur offen aus. Sie schleppte einen Groll mit sich herum. Mein Großvater Garrett, der lange vor meiner Zeit die Löffel abgab, hatte sie für eine jüngere Frau abserviert.
    Ihre Verbitterung hatte Tilly aber nie daran gehindert, uns Kinder wie ihre eigenen Enkel zu behandeln. Selbst jetzt konnte ich ihre Gerte noch auf meiner Kehrseite spüren.
    Schönchen betrat den Laden durch die Tür, die mit Glasperlenstricken verhängt war. Sie trug eine Lampe, die nur nach einer Seite Licht spendete. Sie brachte sie mir zuliebe mit. Ihre Zwergenaugen hatten keine Probleme mit der Dunkelheit.
    »Du hast dich kein bißchen verändert, Tilly.« Das war keine Schmeichelei. Sie sah genauso aus, wie ich sie in Erinnerung hatte.
    »Spar dir den Mist. Ich sehe aus, als hätte man mich tausendmal hart geritten und naß in die Box gestellt.«
    Das war unbestreitbar richtig.
    Sie sah aus wie eine Frau, die siebzig sehr harte Jahre überstanden hatte. Sie hatte weißes, dünnes Haar, und selbst in diesem spärlichen Licht schimmerte ihre Kopfhaut durch. Ihre Haut schlotterte um sie, als hätte sie in einer Woche die Hälfte ihres Körpergewichts abgenommen. Sie war bleich und von großen und kleinen Altersflecken überzogen. Tilly bewegte sich langsam, aber zielstrebig. Das Gehen bereitete ihr offensichtlich Schmerzen, jedoch sie schien sich den Altersgebrechen nicht beugen zu wollen. Ich erinnerte mich daran, daß sie hauptsächlich darüber redete. Doch obwohl sie sich beklagte, ließ sie es nicht langsamer angehen. Sie hatte breite Hüften, und ihr Körper fügte sich unbarmherzig der Schwerkraft. Hätte man mich dazu aufgefordert, hätte ich darauf getippt, daß sie mindestens einem Dutzend Kinder das Leben geschenkt hatte, aber ich hatte nie von einem Sprößling gehört oder einen zu Gesicht bekommen.
    Sie musterte mich eindringlich und versuchte zu lächeln.
    Ihr waren nur ein paar Zähne geblieben. Aber ihre Augen funkelten. Der Verstand

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