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Splitter im Auge - Kriminalroman

Titel: Splitter im Auge - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ohne tat. Wie immer war sie geschminkt, trug für ihr Gewicht zu enge Kleidung und für ihre Beine zu hohe Schuhe. Steiger wusste, dass sie drei furchtbare Ehen hinter sich hatte, aber irgendwie schien eine Beziehung zu ihrem Lebensplan zu gehören, darum versuchte sie es immer wieder. Er hatte keine Ahnung, ob er sie dafür bewundern oder bedauern sollte.
    »’n Abend, Vicky«, sagte er und musste lächeln, weil sie ihn immer noch nicht ansah. »Du kannst dir deinen Geifer abwischen und wieder drüben Platz nehmen. Die Sahneschnitte neben mir ist vergeben, wie du dir denken kannst.«
    Jetzt sah sie ihn doch an, warf noch einen kurzen Blick auf Batto und zuckte mit den Schultern.
    »Und, wie geht’s dir heute Abend, was die Sache mit deinem Vater betrifft, meine ich?«, fragte Batto, als Vicky wieder gegangen war.
    »Wie soll es mir gehen?«, sagte Steiger. »Du weißt doch, dass wir noch nie so richtig miteinander konnten.«
    »Schon, aber wenn gestorben wird, ist meistens emotionaler Zahltag. Es wird dir als Kind ja nicht von Anfang an egal gewesen sein, dass du mit deinem Vater nichts anfangen konntest, und er nichts mir dir, oder? Wenn du jetzt noch mal dreizehn wärst und etwas ändern könntest, was wäre das?«
    Steiger überlegte und konnte es nicht sagen. Batto war in diesen Dingen schon immer ein guter Zuhörer gewesen, aber seit er vor Jahren als psychologischer Trainer ausgebildet worden war und eine Zeit in Seminaren mit Kollegen gearbeitet hatte, stellte er auch in manchen privaten Situationen solche Fragen, die normale Menschen nicht stellen. Am Anfang hatte Steiger das gestört, jetzt hatte er sich daran gewöhnt.
    Dann erzählte er die Geschichte mit dem Holzmesser, die ihm gestern wieder eingefallen war, nachdem er dreißig Jahre nicht mehr daran gedacht hatte.
    »Das Schlimmste war aber die Nummer mit der Gewerkschaftskasse, hab’ ich dir die eigentlich mal erzählt?«
    Er sah Batto an, der an seinem Bier nippte und den Kopf schüttelte. »Sagt mir nichts.«
    Steiger steckte sich einen Zigarillo an und blies das Streichholz mit dem ersten Lungenzug aus.
    »Mein Alter war ja schon immer ein extrem Linker, in den Fünfzigern als junger Kerl sogar ’ne Zeitlang KPD -Mitglied. Dann hatte es da aber irgendwie Stress gegeben, und er ist in die SPD gegangen, na, und natürlich Gewerkschaft, was das Zeug hielt. Bei jedem Streik vorneweg und große Fresse. Einmal, ich muss so vierzehn, fünfzehn gewesen sein, brachte er eine Kasse mit nach Hause, in der irgendwelche Kohle von der Gewerkschaft war. Am nächsten Tag kam er in mein Zimmer und sagte, dass in der Kasse dreihundert Mark fehlten. Traute der mir echt zu, dass ich aus der verdammten Kasse Geld klaue, stell dir das mal vor. Mein eigener Vater. Es gäbe keine andere Möglichkeit, hat er gesagt. Wahrscheinlich war er draufgekommen, weil ich mir damals grad’ ein Tonband gekauft hatte, so ein teures Revox-Teil, war damals der absolute Renner. Das hatte ich mir aber zusammengespart und hatte auch dafür in einer Spedition malocht. Jedenfalls hat er mir nicht geglaubt. Monatelang hat er dann sein bekanntes Vorwurfsgesicht im Haus spazieren getragen und das Maul nicht aufgekriegt, weil er glaubte, sein Sohn stiehlt und lügt. Irgendwann haben sie dann aber herausgefunden, dass sie sich wohl verrechnet hatten. Verstehst du, die Kohle war gar nicht weg, die Idioten hatten sich verrechnet. Aber meinst du, er hätte das erzählt? Keine Spur. Einer seiner Genossen hat es Mutter erzählt, als sie mal bei uns gesoffen hatten. Kein Wort, keine Richtigstellung, nichts, und weißt du, warum? Damit er sich nicht bei mir entschuldigen musste, der Arsch.«
    Als es raus war, erschrak er selbst darüber, seinen Vater, der irgendwo tot in einem kalten Keller lag, so zu nennen, aber sein Zorn nahm ihm die Schuldgefühle bald wieder.
    »Nicht ein verdammtes Wort. Weißt du, Batto, es ist schon Scheiße, wenn dein Vater dich für einen Dieb und Lügner hält, ohne dass es dafür einen Grund gibt. Noch viel beschissener ist es aber, wenn du weißt, dass er es besser weiß.«
    Er sah Batto an, der nickte nur.
    »Wir haben nie wieder darüber gesprochen.«
    Sie saßen eine Weile schweigend nebeneinander und sahen den anderen beim Rauchen und Trinken zu. Im Fernseher lief mittlerweile Boxen.
    Dann fragte Steiger Batto nach seiner aktuellen Freundin. Manchmal war er da nicht so auf dem Laufenden, aber Anna, die Journalistin, war ihm ein Begriff. Er hatte sie ein paarmal bei

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