Splitter im Auge - Kriminalroman
Besonderes?«, fragte sie und behielt den Blick jetzt auf der Straße.
»Keine Sorge, hab’ nur nachgedacht.«
»Darüber, was wir als Nächstes machen, oder was?«
»Du bist doch die junge aufstrebende Kollegin, die noch Initiative zeigen muss. Also los, sag du, was wir machen.«
Sie zeigte ihm einen Stinkefinger mit Lächeln. »Dann schlage ich vor, wir kümmern uns mal um die Sache von Renate Winkler.«
Sie sah ihn von der Seite an. Steiger hatte nichts dagegen.
Georg Brenner wohnte in der dritten Etage eines Mehrfamilienhauses in dem Teil der Mallinckrodtstraße, der gegen Abend von den Osteuropäern zum Straßenstrich gemacht wurde, weil sie auf den Bürgersteigen und in den Hauseingängen ihre Frauen und Schwestern anboten.
»Adam, Kripo Dortmund«, sagte Steiger und hielt Brenner seinen Ausweis hin, als der die Tür öffnete. »Das ist meine Kollegin Goll. Dürfen wir reinkommen, Herr Brenner? Wir hätten was zu bereden.«
Bei den letzten Worten hatte Steiger seinen Fuß schon im Wohnungsflur, und der alte Mann machte einen Schritt zurück. Er war klein, hatte eine Glatze mit grauem Haarkranz und ein freundliches Gesicht. Hätte er in der Zeitung mit Foto seine Dienste als Märchenonkel angeboten, wäre das wahrscheinlich ein gutes Geschäft geworden, dachte Jana.
»Was wollen Sie von mir?«, fragte Brenner, und seine Stimme war unerwartet sanft.
»Herr Brenner«, sagte Steiger, »ich will nicht lange drum herum reden: Wir wissen, dass sie öfter junge Ausreißerinnen bei sich schlafen lassen und sie gern beim Duschen beglotzen. Haben Sie dieses Mädchen in den letzten Tagen gesehen?«
Er hielt dem alten Mann das Foto von Celina Gerber hin. Brenner machte überhaupt keinen überrumpelten Eindruck, betrachtete das Bild und schüttelte den Kopf.
»Ich kenne das Mädchen nicht.«
»Sind Sie sicher?«
»Absolut sicher. Sie war noch nie bei mir.«
»Haben Sie sie mal woanders gesehen in letzter Zeit?«
»Ich sagte doch, ich kenne das Mädchen nicht. Wenn ich sie mal gesehen habe, kann ich mich nicht daran erinnern.«
Brenner sprach wie ein gebildeter Mensch, und Jana hätte gern gewusst, womit er früher sein Brot verdient hatte.
»Okay«, sagte Steiger und ließ seinen Blick durch den Flur wandern. »Haben Sie was dagegen, wenn wir uns hier ein bisschen umsehen?«
»Zu welchem Zweck?«, fragte Brenner in gleichbleibend ruhigem Ton.
»Herr Brenner, ganz ehrlich?« Steiger bückte sich ein wenig und war jetzt dichter am Gesicht des Alten. »Sie lassen hier hin und wieder kleine Mädchen pennen und sehen Ihnen beim Duschen zu. Die Wohnungen solcher Leute sehen sich Polizisten einfach gern einmal an, verstehen Sie?« Er wartete einen Moment. »Und bevor Sie fragen: Nein, einen Durchsuchungsbeschluss haben wir nicht. Wenn Sie also etwas dagegen haben, könnten wir unsere Befragung ja ein wenig ausdehnen, auf Ihre Nachbarn zum Beispiel, und wir könnten dabei auch etwas konkreter werden, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Steiger hörte, wie Jana die Luft durch die Nase einzog, beachtete das aber nicht.
Der Alte sah Steiger mit leiser Verachtung an und sagte: »Was soll dieser lächerliche Einschüchterungsversuch? Ich tue nichts Verbotenes, die Mädchen sind damit einverstanden, und bei mir zu nächtigen, ist allemal gefahrloser als draußen in der Stadt. Aber tun Sie, was Sie nicht lassen können.«
Steiger warf Jana einen kurzen Blick zu und ging ins Wohnzimmer. Brenner sah nicht nur aus wie ein Opa aus der Fernsehwerbung, er wohnte auch so. Im Wohnzimmer stand Eiche satt und schweres Polsterzeugs in Braungrün, dazwischen genug Nippes, meistens Frauenfiguren aus Porzellan oder Glas, dass man hätte denken können, hier wohne auch eine Frau. Aber Brenner lebte allein.
Steiger machte ein paar Schränke auf, und als er nichts fand, was interessant gewesen wäre, nahm er sich die anderen Räume vor. Jana folgte ihm mit einem Gesicht, dem man von der Internationalen Raumstation aus angesehen hätte, dass ihr hier einiges gegen den Strich ging.
Im Schlafzimmer war ebenfalls nichts Auffallendes, und sie waren fast schon wieder auf dem Weg nach draußen, als Jana Steiger am Arm festhielt und auf einen Kleiderhaken deutete, auf dem ein Bademantel und einige andere Kleidungsstücke hingen. Steiger verstand nicht. Sie machte drei Schritte, ließ ihre Hand über ein senkrechtes Muster der Tapete gleiten, und erst in diesem Augenblick erkannte er den dünnen Spalt.
»Was ist das?«, fragte er
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