Splitter im Auge - Kriminalroman
Brenner, der in der Schlafzimmertür stehen geblieben war. Der Rentner überlegte einen Augenblick, und zum ersten Mal, seit sie in der Wohnung waren, wirkte er irritiert. Er kam mit langsamen Schritten, drückte an einer bestimmten Stelle neben dem millimeterbreiten Spalt, und eine schmale Tür sprang auf. Steiger und Jana blickten in einen Raum, der nicht größer als ein paar Quadratmeter war, mit einem Regal an der Stirnseite, davor ein Stuhl und ein Tisch, auf dem ein aufgeklapptes Notebook stand, daneben lagen CD s und anderer Kram.
»Na, was haben wir denn da?«, fragte Steiger und ging in das Kabuff. In dem Regal standen Ordner, Pappkästen und Bücher, meistens Fotobände mit Aktfotografien, wie er mit schnellem Blick feststellte. »Was ist auf dem Rechner?«
Brenner stand jetzt hinter ihnen in der Tür, und seine Irritation war Resignation gewichen.
»Auf dem Rechner ist alles Mögliche, auch Fotos, aber nichts, was verboten wäre, wenn Sie das meinen.«
»Sie gestatten, dass wir das selbst beurteilen?«, fragte Steiger.
»Was meinen Sie damit?«
»Ganz einfach, Herr Brenner, wir sehen uns das mal an.«
Bei den letzten Worten saß Jana schon am Rechner und hatte ihn eingeschaltet. Mit kundigen Fingern bediente sie das Gerät und hatte nach kurzer Zeit Verzeichnisse gefunden, die voller Fotos waren. Fotos von jungen Mädchen. Auf den meisten waren sie angezogen und posierten mal mehr, mal weniger gelangweilt, einige Fotos zeigten jedoch Mädchen, wie sie sich auszogen, wie sie duschten oder sich abtrockneten. Viele der Badezimmerbilder waren aus einer Voyeur-Perspektive aufgenommen, als beobachte man heimlich durch einen Türspalt. Allerdings waren alle Aufnahmen dezent und keineswegs pornografisch. Steiger fiel auf, dass nur selten eines der Mädchen in die Kamera sah.
»Was machen Sie mit den Bildern, Herr Brenner?«, fragte Steiger und versuchte, neutral zu klingen.
»Was soll ich schon damit machen? Ich seh’ sie mir an.«
»Und stellen Sie ins Netz?«
»Ich stelle nichts ins Netz. Sie werden keines dieser Bilder irgendwo anders finden.«
»Mit solchen Bildern kann man Geld verdienen.«
»Ich habe daran kein Interesse.«
»Sie wissen aber schon, dass diese Mädchen meistens minderjährig sind?«
»Über das Alter reden wir nicht, und die Mädchen sind keine Kinder mehr. Keines, ich betone, keines dieser Fotos ist gegen den Willen eines der Mädchen aufgenommen worden. Ich handle nicht mit diesen Bildern, wie Sie vermuten, und gebe sie auch nicht weiter. Ich lasse diese Mädchen nur bei mir schlafen und essen, schütze sie damit vor der Straße. Was wollen Sie mir also vorwerfen?«
»Mein Gott, Brenner, da sind Sie ja fast ein Kandidat fürs Bundesverdienstkreuz, wenn man das so hört«, sagte Steiger und sah nebenbei weiter auf den Bildschirm, auf dem Jana ein weiteres Verzeichnis öffnete und die Bilder durchlaufen ließ.
»Und warum dann diese Geheimniskrämerei mit Geheimtür?«
»Das ist meine Sache. Vielleicht habe ich einfach Spaß daran.«
Der Alte ist nicht blöd, dachte Steiger und überlegte, ob sie den Rechner mitnehmen sollten, aber Brenner hatte recht, es würde kaum etwas dabei herauskommen. Er beschloss, die Sache mit Renate Winkler zu besprechen, ob sie das mit den Fotos wusste. Wenn es dann nötig war, konnte man sich immer noch einen Beschluss besorgen. In diesem Augenblick blitzte auf dem Bildschirm ein Muster auf, das Steiger kannte und das ihn zusammenfahren ließ. Es war ein gesticktes Edelweißmuster auf hellblauem Grund und gehörte zu dem Dirndlkleid, das Caroline Thamm besessen hatte.
»Stopp«, sagte er so heftig, dass Jana zusammenfuhr. »Geh noch mal eins zurück.«
Auf dem Bildschirm erschien ein Foto, auf dem sich ein dunkelhaariges Mädchen in Jeans und T-Shirt auf einem Sofa fläzte und mit Victory-Zeichen in die Kamera lächelte. Am Fußende des Sofas lag ein Kleid, ein hellblaues Dirndl, so ausgebreitet, als wolle es gleich jemand anziehen, und dieses Dirndl sah exakt so aus wie das Kleid, das Caroline Thamm öfter auf dem Drogenstrich getragen hatte, vielleicht sogar am Abend ihres Verschwindens, wenn die Beobachtung von Svenja Thon richtig war, und das seitdem nicht mehr aufgetaucht war.
»Wem gehörte dieses Kleid, Herr Brenner?«
Brenner drängte sich neben Steiger, sah auf den Bildschirm und begann zu nicken, als fiele ihm wieder etwas ein. »Ich weiß nicht mehr genau, wie das Mädchen hieß, sie war nur einmal hier mit der
Weitere Kostenlose Bücher