Splitter im Auge - Kriminalroman
Nicola.«
»Nicola ist das Mädchen, das man sieht?«
»Ja, das ist die Nicola.«
»Nicola weiter?«, fragte Steiger, und seine Ungeduld war jetzt deutlich zu hören.
»Ich weiß es nicht. Ich kenne längst nicht von allen die Nachnamen, weil es keine Rolle spielt. Nicola ist auch erst ein- oder zweimal hier gewesen.«
»Kann man feststellen, wann das Foto gemacht wurde?«, fragte Steiger und legte Jana eine Hand auf die Schulter.
»Wenn man es ein paarmal hin und her kopiert und umbenannt hat, ist das manchmal schwierig«, sagte sie, »aber dieses hier ist laut Eintrag am 13. Juli 2010 um 18.13 Uhr gemacht worden.«
Steiger wandte sich Brenner zu und überlegte, ob er den Alten direkt fragen sollte oder ob es taktisch eine bessere Idee gab. Der Mann hatte das Mordopfer am letzten Tag, an dem es bisher – wenn man Svenja Thons Aussage außer Acht ließ – lebend gesehen wurde, in seiner Wohnung gehabt. Steiger versuchte, Ordnung in seine Gedanken zu bringen und keinen Fehler zu begehen. Konnte dieser alte, geile und abgewichste Greis etwas mit einem schwarzen Asylbewerber zu tun haben, der mit Rauschgift handelte? Konnte er? Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich war alles ein Zufall.
»Könnte das Mädchen Caroline geheißen haben?«, fragte er dann.
»Ja«, sagte Brenner nach einer Weile, und sein Gesicht erhellte sich, als sei es ihm gerade wieder eingefallen, und es wirkte echt, war Steigers Eindruck. »Caro, ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Und das Datum könnte auch stimmen, vor ungefähr zwei Monaten. Ich bin nämlich am Morgen des 16. Juli in Urlaub gefahren, zwei Wochen Karibik. Ich erinnere mich jedenfalls deutlich an das Kleid, weil es ja doch ein wenig ungewöhnlich ist.« Er sah einen Augenblick auf den Boden, dann wieder Steiger an. »Aber was ist so wichtig an diesem Foto, können Sie mir das vielleicht mal erklären?«, fragte er und hatte mittlerweile wieder dieselbe Ruhe wie zu Beginn ihres Besuches.
Steiger sah ihn lange an. »Dieses Mädchen ist ermordet worden. Und wenn das Datum dieses Fotos da auf Ihrem Rechner echt ist, ist das möglicherweise eines der letzten Dokumente von ihr.«
Brenners Gesicht verriet, dass er geschockt war, und auch das wirkte echt, fand Steiger. Wenn man in diesem Beruf etwas lernte, dann in wenigen Augenblicken Menschen in ihren Reaktionen, in ihrer Mimik, darin, wie sie sich bewegten, zu beurteilen und sich auf das Urteil zu verlassen. Das hatte ihn in mancher Situation davonlaufen oder zuerst zuschlagen lassen. Beides war manchmal entscheidend, um nicht als Verlierer nach Hause zu gehen.
»Mein Gott, wann denn?«, fragte der Alte nach ein paar Schocksekunden.
»Irgendwann in den Tagen, nachdem dieses Foto gemacht worden ist.«
»Und wer tut so was?«
»Ein Mann aus Burkina Faso tut so etwas. Er ist gestern verurteilt worden, zu lebenslanger Haft. Lesen Sie eigentlich keine Zeitung?«, wollte Steiger wissen.
Brenner antwortete nicht, sondern setzte sich auf das Bett und legte sich die Hände auf die Knie.
Steiger wandte sich wieder Jana zu. »Sind noch mehr da, auf denen das Kleid ist?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das ist das einzige.«
»Und von dem Datum?«
Auf dem Bildschirm erschien wieder das Verzeichnis mit den Daten.
»Mit dem Datum gibt es diese drei.«
Sie rief die Fotos auf, aber auf keinem der beiden anderen war das Kleid oder Caroline Thamm zu sehen.
»Können wir das ausdrucken?«
»Ich habe keinen Drucker«, kam Brenner der Kollegin zuvor. Er stand jetzt wieder in der Tür und schien sich gefangen zu haben.
Jana kramte in ihrer Handtasche und hielt einen USB -Stick in die Höhe.
»Sie haben doch nichts dagegen, Herr Brenner, dass wir dieses Foto kopieren und mitnehmen, oder?«
Hatte er nicht.
Jana kopierte die Fotos auf den Stick, wenig später verließen sie die Wohnung und machten sich auf den Weg zum Westpark. Steiger sah auf die Uhr, sie waren spät dran.
12
Die Saison war zu Ende, jetzt im September, das war ihm klar. Trotzdem hatte er seit der Grenze jeden Parkplatz und jede Raststätte angefahren, aber nichts Brauchbares entdeckt. Für Tramper in dem Alter war es einfach zu spät im Jahr, es sei denn, man hatte großes Glück.
Der Feierabendverkehr war noch erträglich, und er ließ sich einfach weitertreiben auf der B1.
Weder die Ursache war ihm klar, noch hatte er eine Idee, was er dagegen tun könnte, aber immer häufiger wurde er in völlig belanglosen Momenten wie diesem von einem Schwindel ergriffen,
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