Splitter im Auge - Kriminalroman
sich vorher telefonisch groß angemeldet, wäre bestimmt irgendwer auf die Idee gekommen, noch mal in Dortmund anzurufen, weiß der Teufel, weshalb, und er konnte sich ausmalen, was Schulze dann für eine Welle machen würde. Darum war es wahrscheinlich besser, einfach hinzufahren und einen auf »Zufällig hier« und »Bei der Gelegenheit kurz ’ne Frage« zu machen.
Jetzt stand er vor dem Büro des Leiters KK 11 und klopfte an die Zarge, weil die Tür offen stand.
»Tag«, sagte Steiger, »Thomas Adam, Kripo Dortmund.« Er blieb im Türrahmen stehen.
Der Mann hinter dem Schreibtisch hatte einen grauen Haarkranz, leichten Bauchansatz und ein Gesicht, das öfter zu lachen schien. Er stand auf, stellte sich mit »Harald Breuer« vor und fragte: »Was kann ich für dich tun?«
»Hast du ein paar Minuten Zeit?«, sagte Steiger, »ich hätte nur ein paar Fragen zu einer Sache, die bei euch vor zwei Jahren gelaufen sein muss.«
»Leider wirklich nur ein paar Minuten, weil ich gleich eine Besprechung habe.«
Breuer bat ihn mit einer Handbewegung herein, und Steiger setzte sich auf einen Stuhl seitlich von Breuers Schreibtisch.
»Tja, wie fang’ ich an … Wir hatten vor zwei Monaten eine Mordkommission in Dortmund, bei der ein fünfzehnjähriges Mädchen über mehrere Tage irgendwo festgehalten worden ist und schließlich tot aufgefunden wurde. Sie ist ziemlich durch den Wolf gedreht worden, und wir hatten nach zwei Tagen einen Tatverdächtigen, der aufgrund der Spurenlage eindeutig als Täter infrage kam und mittlerweile auch verurteilt worden ist.«
»Ja, ich erinnere mich an die Meldung«, sagte Breuer, nickte dabei und sah zur Seite, weil eine Frau hereinkam, die Steiger für eine Kollegin hielt. Sie grüßte kurz und machte sich dann an den Aktenfächern zu schaffen.
»Ich weiß«, sagte Steiger, »dass ihr im Mai 2008 einen Mord an einer vierzehnjährigen Tamilin hattet.«
Breuer überlegte kurz und nickte wieder. »Die MK Hölterstraße.«
»Das wird sie gewesen sein«, sagte Steiger und suchte nach den richtigen Worten. »Wir hatten diese Sache auch kurz auf dem Plan, weil es ein paar Parallelen gibt und weil bei unserem Fall, auch als wir den Täter schon hatten, noch ein paar, wie soll ich sagen, Ungereimtheiten aufgetreten sind. Wir wissen zum Beispiel bis heute nicht, wo der Tatort ist.«
»Das war in dem Fall auch so.«
»Das meine ich und wollte nur mal ein paar Sachen nachfragen, nur aus Interesse, weil ich grad’ in einer anderen Angelegenheit hier im PP Essen bin. Welches Spurenbild hattet ihr damals?«
»Mein Gott, da fragst du mich was, Kollege, das ist zwei Jahre her, und ich hatte Urlaub zu der Zeit, hab’ hinterher zwar mal die Akte gelesen, aber Details … Leider ist Andreas Pries, der MK -Leiter, heute nicht da, der könnte dir bestimmt einiges beantworten, und die Aktenführerin von damals auch nicht. Aber soweit ich mich erinnere, gab es reichlich Kontaktspuren, Sperma, Fasern, andere DNS , alles dabei.«
»Der Täter …?«
»Der Täter war ein geistesgestörter Hüne aus einer Einrichtung ganz in der Nähe des Fundortes. Den kannten alle im Viertel, so ein richtiges Riesenbaby, und wie das oft so ist, hat ihm das natürlich keiner zugetraut.«
»Und er war auch eine Zeit verschwunden, wenn ich das richtig gelesen habe.«
»Ja, ich glaube schon. Wie gesagt, ich war nicht in der MK .«
»Habt ihr mal einen Mittäter in Betracht gezogen?«
»Die Spurenlage hat das meines Wissens nicht hergegeben.«
»Wie seid ihr damals auf den Täter gekommen?«
»Durch einen telefonischen Hinweis, glaub’ ich.«
»Und es gab keinen noch so kleinen Zweifel daran, dass der Mann das allein gemacht haben könnte?«
»Nein, soweit ich weiß nicht, was soll es auch für Zweifel geben bei den Spuren?« sagte Breuer, und Steiger merkte, dass die Lachbereitschaft aus seinem Gesicht gewichen war. Es entstand eine kleine Pause, die Kollegin verließ das Büro und grüßte noch einmal.
»Also, nimm mir die Frage nicht übel, Kollege«, sagte Breuer schließlich, »aber eure Sache ist geklärt, unsere Sache ist geklärt, beide Täter sind in Haft beziehungsweise in Sicherheit … Was interessiert dich daran noch so brennend? So richtig kapier’ ich das nicht.«
Steiger hatte keine Ahnung, was er darauf Kluges sagen sollte, und wusste in diesem Augenblick, dass das Gespräch beendet war. Er hatte einen Moment überlegt zu fragen, ob er noch einmal einen Blick in die Akte werfen könne. Aber die
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