Splitter
links?«
»Die Beule? Ich weiß nicht. Ich glaube, hinten links.« Sie musste wieder husten, Schweiß lief ihr jetzt die Wange herab.
»Was ist los? Kennst du dieses Auto etwa ?«, schaltete sich Marc wieder ein. Er schlang sich beide Arme um den Oberkörper, ohne recht zu wissen, ob es die Kälte oder die Angst war, die ihn frösteln ließ; vermutlich beides.
Benny schnalzte bestätigend mit der Zunge. »Ja. Ich bin erst vor kurzem mit ihm gefahren.«
»Wirklich? Du weißt also, wem er gehört?«
Aus den Augenwinkeln konnte Marc erkennen, wie ein Fahrradfahrer auf der anderen Straßenseite vom Rad stieg und interessiert zu ihnen herübersah.
»J a, leider.«
»Wir müssen endlich weg«, sagte Emma, die den Radfahrer ebenfalls entdeckt hatte, doch Marc hörte ihr gar nicht mehr zu.
»Wieso leider. Verdammt, wer ist es?«
»0 Scheiße, das willst du nicht wissen.« Benny gab ihm das Handy zurück, seufzte und ließ die Schultern nach unten hängen.
»Wieso nicht?«, fragte Marc und wollte seinen Bruder gerade am Arm packen, da schnellte dieser plötzlich nach vorne.
Der erste Schuss, der sich löste, zerriss die Nacht und brachte den Radfahrer dazu, Hals über Kopf zu flüchten.
Beim zweiten Schuss drehte er sich nicht einmal mehr um, selbst dann nicht, als das Hundegebell und die Schmerzensschreie hinter ihm immer lauter wurden.
43. Kapitel
Benny hatte im selben Atemzug Emmas Hand gepackt, den Arm samt Waffe nach oben gerissen und abgedrückt. Beim zweiten Schuss hatte sich der Lauf direkt neben ihrer Schläfe befunden. Im Augenblick entfaltete der gellende Schmerz seine gewünschte paralysierende Wirkung.
Emma ließ die Waffe los, sank neben ihrem Auto auf die Knie und presste sich dabei beide Hände auf ihr linkes Ohr, dem die Druckwelle das Trommelfell zerrissen hatte. »Was hast du getan?«, schrie Marc, der so schnell nicht nachvollziehen konnte, was gerade vor seinen Augen geschehen war. Er sah nur die Flüssigkeit, die zwischen ihren Fingern hervorrann und ihren weißen Mantelkragen dunkelrot färbte, weshalb er in einer ersten Schrecksekunde vermutete, Benny, sein kleiner Bruder, der noch nie jemandem Gewalt angetan hatte, habe ihr tatsächlich in den Kopf geschossen. Dann machte sie Anstalten, aufzustehen, und obwohl sie vor Schmerzen nur noch gutturale Geräusche von sich gab, ahnte er doch, dass ihre Verletzungen nicht lebensbedrohlich sein konnten. »Was hast du vor?«, stellte er seine zweite Frage etwas leiser, und dieses Mal galt sie sowohl Emma wie auch Benny, der sich seine Waffe wieder gegriffen hatte. »Ich hau ab.«
»Das kannst du nicht bringen.«
Marc kniete sich neben Emma und wusste nicht, was er tun sollte. Ihr Ohr blutete immer stärker und hatte die Haare rund um die Schläfe verklebt. In einer Übersprungshandlung berührte er ihre Stirn wie eine Mutter, die bei ihrem Kind das Fieber prüft, und tatsächlich glühte sie.
»Sie muss in ein Krankenhaus. Bitte, Benny, du musst uns fahren, du musst …« Er griff erschrocken nach ihrer Hand, die plötzlich schlaff nach unten gesackt war. Emma war wieder ohnmächtig geworden. »Dann hilf mir wenigstens, sie ins Auto zu tragen. Benny?« Er sah nach oben und erwartete weitere Proteste, doch die blieben aus, denn sein Bruder war verschwunden. »Scheiße, Scheiße, Scheiße …« Marc begann trotz der Kälte zu schwitzen. Er war hoffnungslos übermüdet, und die Kopfschmerzen zogen sich bis in den Nacken, daher befürchtete er, die Kraft nicht all eine aufbringen zu können, die notwendig war, um Emma ins Auto zu hieven. Verdammt.
Er zog sein Handy aus der Hosentasche, um einen Notarzt zu rufen, doch sein Akku verabschiedete sich schon nach dem ersten Tastendruck.
Scheiße!
Marc tastete Emmas Jacke nach ihrem Telefon ab, bis ihm einfiel, dass Benny es zuletzt gehalten und wahrscheinlich eingesteckt hatte.
Er stand auf, lehnte sich mit dem Rücken an die Karosserie und sah zu den Häusern auf der anderen Straßenseite. Soweit er es erkennen konnte, stand nirgendwo jemand am Fenster oder auf dem Balkon. Weshalb ruft denn keiner die Polizei? Jemand muss doch die Schüsse gehört haben.
Er wollte sich gerade wieder zu Emma herunterbeugen, als die Stimme ihn zum zweiten Mal zusammenfahren ließ. »Hey, Kumpel.«
Sie war sehr viel leiser, aber unverkennbar dieselbe, die sich vorhin über den Lärm beschwert hatte. Marc sah zu dem alten Mann auf dem Bürgersteig, der seinen Hund an der Leine hielt.
»Was wollen Sie?«
Der
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