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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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bitte«, triumphierte Emma und griff wieder zu ihrem Handy, das Benny ihr anscheinend zurückgegeben hatte. Sie hatte genug von dem Gespräch und wollte lieber die neuesten Informationen auf ihre Mailbox sprechen.
    Marc ignorierte das Ziehen in Kopf und Nacken und stemmte sich aus den Kissen hoch. Zu seinem Erstaunen gelang es ihm bereits beim ersten Anlauf. »Okay, Professor«, sagte er und krempelte den Ärmel wieder nach unten. »Ich habe keine Ahnung, was für ein Mittel Sie mir gespritzt haben, und vielleicht will ich das auch gar nicht wissen. Jedenfalls war es wirklich furchtbar lieb von Ihnen, uns zu versorgen. Doch jetzt muss ich weiter. Mir bleibt leider nicht die Zeit, um mit Ihnen über die psychologischen Probleme unserer Familie zu diskutieren.« Haberland sah ihn prüfend an. Plötzlich wanderte ein trauriger Schatten über sein Gesicht, und seine Stimme wurde leise. »Vielleicht sollten Sie sich aber besser die Zeit dafür nehmen?«
    Ein Windstoß ließ das Sprossenfenster erzittern, und Marc spürte schon wieder die Zimmertemperatur ab sinken, nur dass diesmal niemand eine Tür geöffnet hatte. »Wie meinen Sie das?«
    »Ihr Bruder hat Sie zwar zu mir gebracht, weil er wollte, dass ich Ihre Kopfwunden behandele …«
    »Aber?«, fragte Marc.
    « … aber ich bin kein Allgemeinmediziner, ich bin Psychiater«’ vollendete Haberland den Satz. Mit einem Mal sah er um Jahre gealtert aus. >>Vielleicht kann ich Ihnen helfen, herauszufinden, was gerade mit Ihnen geschieht.« Haberland ging zu dem stummen Diener neben seinem Schreibtisch, griff sich eine gefütterte Wolljacke und zog sie sich über.
    »Kommen Sie«, sagte er zu Marc, als wäre Emma gar nicht mehr im Raum. »Wir machen einen kleinen Spaziergang.«
54. Kapitel
    Der See bildete einen U-förmigen Bogen um die kleine Blockhütte im Wald. Als sie durch die Hintertür in die frische Luft traten, zog gerade ein Greifvogel seine Runden über das aufgewühlte Gewässer. Mehrere Enten und ein Schwan wurden aufgeschreckt durch den alten Hund, der ans Ufer stürmte und mit den Vorderpfoten in das Wasser tapste. Sie glucksten, flatterten hektisch mit den Flügeln, doch dann entschieden sie, dass die neuen Besucher keine Gefahr darstellten, und beruhigten sich wieder.
    »Schön ruhig, Tarzan«, rief Haberland den Hund zurück. Das hellbraune Tier mit der weißen Schnauze hatte so ruhig in seinem Körbchen gelegen, dass er Marc erst aufgefallen war, als er gähnend aufsprang, um ihn und sein Herrchen auf dem Spaziergang zu begleiten.
    »Die Menschen machen immer den Fehler, Wildtiere zu füttern«, sagte der Professor, den Blick starr auf das Wasser gerichtet. Sie hatten Emma allein im Wohnzimmer zurückgelassen, was Marc etwas wunderte, denn der Arzt wirkte nicht wie jemand, der Fremden schnell vertraut. Andererseits lag etwas in seinen Augen, das dafür sprach, dass er vor langer Zeit bereits größere Schrecken durchgestanden hatte als die, die er heute von einer verletzten Frau und einem ehemaligen Patienten zu erwarten hätte. »Dabei stören wir damit die Nahrungskette, gewöhnen sie an uns. Und das ist falsch«, fuhr Haberland fort. »Menschen machen das aus Tierliebe«, sagte Marc, der mit Sandra oft den Schwänen am Wannsee alte Brotkrumen zugeworfen hatte.
    »Ja, aber dennoch ist es ein Fehler.« Haberland zog den Reißverschluss seiner Wolljacke höher. Sie reichte ihm nicht einmal ansatzweise über sein Sakko. »Und es kann nie richtig sein, etwas Falsches zu tun.«
    Sie gingen weiter am Ufer entlang, und Marc fragte sich, ob sie wirklich noch über Wildtiere redeten. Immerhin hatte er bis vor kurzem sein Leben nach dem Motto ausgerichtet, dass der Zweck stets die Mittel heilige. Sicher wusste Haberland auch von der Falschaussage, die Benny letztlich in die geschlossene Anstalt gebracht hatte.
    »Sie wirken sehr verunsichert«, kam Haberland zum Thema.
    Eine größere Schilffläche trennte den Uferweg, der jetzt sanft anstieg, vom See.
    »Ja.« Marc atmete die feuchtwürzige Luft des Waldes ein, der den Pfad zu ihrer Rechten säumte. »Ich traue meinen Erinnerungen nicht mehr.«
    Er gab ihm einen kurzen Abriss dessen, was ihm bislang widerfahren war, und schloss mit den jüngsten Erlebnissen im Keller seines ehemaligen Hauses. »Und, was denken Sie nun? Bin ich verrückt geworden?«
    Haberland blieb stehen und sah Tarzan hinterher, der immer wieder aufs Neue versuchte, sich einen Weg durch das Schilf zum See zu bahnen, und immer wieder aufgab,

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