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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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ab.
    »Jedenfalls bin ich nach Eichkamp rausgefahren und hab vor der Tür den Käfer gesehen, in dem die Irre hier geschlafen hat.« Benny wies abfällig auf Emma. »Dann habe ich erst mal abgewartet, doch als du nach zwanzig Minuten immer noch nicht wieder draußen warst, bin ich rein und habe dich im Keller gefunden.« Marc sah erst zu Benny, dann zu Emma und schließlich aus dem Fenster, das sich am Kopfende des Raumes befand, der dem Professor gleichzeitig als Wohn-und als Arbeitszimmer zu dienen schien. Das Haus, in dem sie sich befanden, konnte nicht viel größer sein als ihre »Villa«, vielleicht war es nur eine Waldhütte. Dafür sprach, dass das Holz neben dem Kamin wie selbstgehackt aussah und draußen nichts als Bäume zu sehen waren.
    »Was ist mit dem Anwalt?«, fragte Marc und griff sich an den Hinterkopf. Er hatte eine Beule, etwa fünf Zentimeter über dem Verband der Splitterwunde. »Welcher Anwalt? Da war niemand.«
    Marcs Magen krampfte sich zusammen. »Und das Drehbuch? Es hat auf dem Schreibtisch gelegen!«
    »Hör zu, Alter, ich hab mich nicht groß umgesehen, nachdem ich dich bewusstlos auf dem Boden gefunden habe. Hab dich nur rausgeschafft und zum Doc gebracht. Und damit sind wir endgültig quitt.« Er verschränkte die Arme vor der Brust, während Emma höhnisch die Nase hochzog, als wolle sie auf den Boden spucken.
    »Ich glaube Ihnen kein Wort«, sagte sie.
    »Ich schon«, entgegnete Haberland, der den Schlagabtausch vom Ohrensessel aus verfolgt hatte. Er warf Benny einen fragenden Blick zu.
    »Nur zu, ich entbinde Sie vom Arztgeheimnis, Professor.« Benny lächelte und zog den Reißverschluss seiner Jacke hoch. »Halten Sie Ihren Vortrag, ich geh so lange eine rauchen.«
53. Kapitel
    Marc spürte, wie die Zimmertemperatur plötzlich absank, als sein Bruder hinter ihm eine Tür öffnete und frische Luft hereinströmte. Sie mussten sich weit außerhalb der Stadt befinden, so kalt, wie es hier draußen war. Die Digitaluhr auf dem Sekretär zeigte kurz nach elf Uhr vormittags, aber es herrschten jetzt schon Minusgrade. Haberland wartete, bis Benny auf die Veranda getreten war und die Tür wieder zugezogen hatte. Dann bot er Emma einen Stuhl neben sich an und begann erst, nachdem sie sich mit widerwilligem Gesichtsausdruck zu ihm gesetzt hatte. »Benjamin ist mein Patient.« Er sah zu Marc. »Das ist wohl auch der Grund, weshalb er Sie zu mir gebracht hat und nicht in ein Krankenhaus. Ich bin in der kurzen Zeit, in der ich ihn als externer Gutachter in der Klinik untersuchen durfte, so etwas wie sein Vertrauter geworden. Und außerdem lege ich nicht viel Wert auf Öffentlichkeit, weshalb ich hier draußen im Wald lebe, abseits vom Rest der Welt.« Er lächelte wieder und begann seine Pulsadern zu massieren. »Ich erinnere mich an Ihr Gutachten«, sagte Marc. »Sie waren gegen seine Entlassung, nicht wahr?«
    Haberland hob beschwichtigend die Hand, wodurch der Ärmel seines Jacketts nach hinten rutschte. Er war sich nicht sicher, aber bevor der Professor den Ärmel wieder über das Handgelenk zog, meinte Marc eine wulstige Narbe erkannt zu haben.
    »Es war nicht meine Aufgabe, darüber zu entscheiden, ob Ihr Bruder entlassen werden sollte oder nicht. Ich habe lediglich eine Störung bei ihm diagnostiziert, die bislang immer übersehen worden war und die ihm ein normales Leben nahezu unmöglich macht. Sie lässt einige Überreaktionen, wie zum Beispiel die suizidalen Tendenzen, verständlicher erscheinen.« Dann wandte er sich direkt an Emma. »Und auch die Frage, weshalb er Ihnen gefolgt ist. Benjamin leidet darunter, was der Volksmund als Helfersyndrom bezeichnet. Er ist ein HSPler.«
    Emma zog fragend die Augenbrauen hoch.
    »Eine hochsensible Person. Wenn Sie jetzt zu ihm nach draußen gehen und ihm Ihre Hand geben würden, könnte er Ihre Gemütsverfassung spüren. Schlimmer noch, er würde Ihren seelischen Zustand selbst durchleben. Benny lebt das Leben anderer. Und deshalb muss er den Menschen helfen, ob er es will oder nicht.«
    »Blödsinn. »
    »Ist es nicht«, sagte Marc bestimmt, der sich durch die wenigen Worte des Professors bereits ertappt fühlte. Der Arzt beschrieb nicht nur seinen Bruder, sondern auch ihn. Damals, als sich die Band auflöste, hatte er gen au gewusst, was in seinem kleinen Bruder vorging, und nach der ersten Phase des Verliebtseins hatte er deshalb wieder Kontakt zu ihm gesucht. Doch zu diesem Zeitpunkt kam Benny bereits nicht mehr nach Hause, ignorierte alle

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