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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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groß, dass man die Häuser von der Einfahrt aus nicht sehen konnte. Niemand würde ihnen zu Hilfe kommen. Und das Repetiergewehr vor ihm war nichts als ein nutzloser Schlagstock. Valka stand drei Autolängen entfernt; bevor Marc auch nur die Hälfte der Distanz überwunden hätte, würde das gesamte Magazin in seiner Brust stecken. Marc wusste das ebenso wie Eddy, der sich erst gar nicht die Mühe machte, die Pistole auf ihn zu richten. Er kniete sich hin, die Metallspitze seiner Cowboystiefel nur Millimeter von Bennys rechtem Auge entfernt. Dann packte er ihn am Schopf und zog seinen Kopf vom Kiesweg hoch, bis Bennys blutverschmierter Mund kurz vor Valkas Lippen hing.
    »Okay, Benjamin, bist du bereit für den Tod?«, fragte er sanft und presste ihm die Pistole unter das Kinn. Er klang jetzt nicht mehr wie ein Prolet, sondern wie der Psychopath, der er war.
    Zu Marcs Entsetzen nickte sein Bruder müde mit dem Kopf, wie jemand, der sich in sein Schicksal gefügt hat. Dabei flüsterte er Valka etwas zu, so leise, dass es sich in dem Wind und in dem Rauschen der Bäume verfing. Blutiger Sabber tropfte ihm das Kinn herunter, und aus irgendeinem merkwürdigen Grund lag so etwas wie eine tiefe Dankbarkeit in Bennys Augen, bevor er sie schloss.
    »Na schön, dann fahr zur Hölle, du Spinner!«, sagte Eddy.
    Und dann, kurz nachdem Marc beschlossen hatte, in den sicheren Tod zu laufen, bevor er hier untätig stehenblieb, tat Valka etwas völlig Unlogisches. Er tätschelte Benny liebevoll das Gesicht. Als Nächstes stand er auf, warf die Pistole in hohem Bogen fort und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen, den Kiesweg zur Toreinfahrt hinaus.
64. Kapitel
    »Wieso hat er das getan?« Marc musste gegen den Fahrtwind anschreien, der ihm mit der gefühlten Geschwindigkeit eines Tornados ins Gesicht schnitt. Valka hatte vorhin die Windschutzscheibe herausgeschossen und zum Glück nur den leeren Beifahrersitz perforiert, nachdem Benny in letzter Sekunde zur Seite ab getaucht war. »Weshalb ist Eddy einfach so abgehauen?« Marc drehte sich nach hinten, wo sein Bruder mit angewinkelten Beinen quer über den Rücksitzen lag und sich den Mund mit dem unteren Rand seines TShirts abwischte.
    »Keine Ahnung. Ist wohl mein Glückstag.«
    Benny würgte, dann drehte er sich zur Seite und übergab sich auf die Fußmatten. Es dauerte eine Weile, bis er weiterreden konnte. »Ich denke, er wollte sich nicht selbst die Hände schmutzig machen. Seine Leute werden mich schon finden.« Er stöhnte. »Es ist sowieso alles vorbei.«
    Marc schüttelte fassungslos den Kopf. »Wir sind gleich da«, brüllte er in den Fahrtwind.
    Zu allem Überfluss hatte der Schneeregen wieder eingesetzt. Die Nässe nahm ihm die Sicht. Autos, Passanten, Fahrbahnmarkierungen und die Häuser am Wegrand - all das zerfloss zu einem Schattenspiel vor seinen Augen. »Wohin fahren wir?« Benny versuchte den Kopf zu heben. »Zur Senner-Klinik.«
    Hinter ihnen drängelte ein Familienvan mit seiner Lichthupe, doch Marc konnte beim besten Willen nicht schneller fahren.
    Er löste die klammen Finger vom Lenkrad, hauchte sie an und tastete nach der Pistole in seiner Innentasche, die er in einer Schmelzwasserpfütze wiedergefunden hatte. Selbst das Magazin steckte noch.
    »Verdammt, wo sind wir hier?« Benny versuchte, sich auf die Ellbogen zu stützen, aber dann verließen ihn die Kräfte, und er sackte wieder in sich zusammen. Die Siedlung, durch die der Kladower Damm sie gerade führte, wäre gut und gerne als pittoreskes bayerisches Dorf durchgegangen, sauber und aufgeräumt, wie es hier war. Die Kneipen hießen »Kutschestube« oder »Dorfkrug«, und Kirchtürme gab es fast so viele wie Pferdekoppeln. Kein Wunder, dass die Besucher des Wochenmarkts dem zerschossenen Wagen wie einem Weltwunder hinterherglotzten.
    Marc ließ das Lenkrad los und strich sich die Feuchtigkeit aus dem Gesicht. Der Anteil des Schnees im Regen wurde immer größer, und er ging noch weiter vom Gas.
    »Ich muss dir was sagen«, hörte er Benny stöhnen. Er sah in den Rückspiegel.
    »Damals, als du aus der Band ausgestiegen bist und ich die Pillen geschluckt habe … »
    »Das war scheiße, ich weiß, Kleiner. Ich hätte mich mehr um dich kümmern müssen.«
    »Nein, das meine ich nicht.« Benny hustete. »Das war nicht deinetwegen.«
    »Sondern?«
    »Es ging um Sandra. »
    Die Worte klatschten Marc ebenso kalt ins Gesicht wie der Regen. Sandra?
    »Du warst nicht der Einzige, der sich in sie verliebt

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