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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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nicht einstellen. Nicht nur, weil sein Schwiegervater niemals das Haus unverschlossen ließ.
    Sondern weil er fremde Stimmen hörte.
    Ein Mann und eine Frau. Beide wirkten fröhlich und sehr vertraut miteinander. Sie führten ihr Gespräch im ersten Stock.
    »Hallo, ich bin’s«, rief Marc die Treppe hoch. Keine Antwort. Nur ein leises Kichern, gefolgt von einem langen Monolog des Mannes.
    Er stieg die Stufen hinauf, die er früher jeden zweiten Sonntag mit Sandra gegangen war. Zweimal im Monat hatte Constantin die Familie zum Tee geladen. Nach dem frühen Tod seiner Frau hatten alle mit dem Bruch dieser Tradition gerechnet, doch er hatte sie fortgesetzt. Und so waren sie weiterhin zu ihm gefahren, um oben in der Bibliothek vor einem der drei Kamine des Hauses über die Ereignisse der vergangenen Tage zu plaudern. Jeden zweiten Sonntag. Bis zum Unfall.
    Marc hatte den oberen Absatz erreicht, und die Stimmen wurden lauter.
    »Constantin?«, rief er heiser. Er hatte seit Stunden nichts mehr getrunken, und seine Zunge fühlte sich an wie ein Fremdkörper.
    Der Flur vor ihm erstreckte sich zu beiden Seiten. Links befanden sich die Gästeschlafzimmer, rechts das Arbeitszimmer nebst angeschlossener Bibliothek, von wo aus die Stimmen nach außen drangen. Marc war jetzt so nah, dass er Teile der Unterhaltung verstehen konnte.
    »Ich würde das nicht machen«, protestierte die Frau fröhlich.
    »Wirklich? Ich wäre mir da nicht so sicher. Erinner dich doch mal an dein peinlichstes Erlebnis«, antwortete der Mann.
    »Oh, das war letztens im Schwimmbad, aber das kann ich dir wirklich nicht erzählen.«
    Dass das Paar ihm keine Antwort gab, obwohl er sich mehrfach bemerkbar gemacht hatte, war unheimlich. Deshalb beschloss Marc, von nun an so wenig Lärm wie möglich zu machen, und schlich sich nach rechts in den schummrigen Flur.
    Zu den Stimmen mischte sich jetzt ein leises, elektrostatisches Knistern, je näher er dem Arbeitszimmer kam. Das befand sich etwa in der Mitte des Ganges, schräg gegenüber einer kleinen Gästetoilette.
    »Lügnerin«, lachte der Mann hinter der Tür.
    »Nein wirklich, ich kann mich gar nicht mehr genau erinnern.«
    »Na, das passt ja mal wieder.«
    Marc hielt die Luft an, drückte die schwere Klinke nach unten, öffnete die Tür und erstarrte.
    Das Arbeitszimmer, in dem sich das Paar so angeregt unterhielt, war vollkommen verwüstet. Die Stehlampe lag schräg über dem aufgeschlitzten Ledersofa. Der Perserteppich war wie ein überdimensionales Taschentuch zusammengeknüllt vor ein leeres Regal geworfen worden. Alle Bücher, Bilder, Fotorahmen und Kunstwerke, die früher darin gestanden hatten, lagen auf dem Boden verstreut.
    Marc sah sich um, suchte das Paar und fand es hinter einer staubigen Glasscheibe. Der Fernseher lag umgekippt hinter den Überresten eines ausgelaufenen Salzwasseraquariums. Ein Wunder, dass das alte Gerät noch funktionierte und nicht wie die vielen Fische auf dem Parkett verendet war.
    »Was denken Sie? Ihre Meinung ist uns wichtig!«, sagte der Mann auf der Mattscheibe, der wie die Karikatur eines Frühstücksfernsehmoderators aussah. Er trug eine fröhliche Krawatte, ein fröhliches Jackett und ein fröhliches Grinsen. Die Kamera zog wieder auf und zeigte die Studiokulisse samt platinblonder Kollegin. »Nein, daran will ich mich wirklich nicht erinnern.«
    »Siehst du?«
    Das Bild flimmerte alle zwei Sekunden, und es roch verschmort. Das Kabel des Fernsehers war beschädigt und reagierte mit dem ausgelaufenen Wasser. Marc entschied, dass es sicherer war, den Kasten laufen zu lassen, und sah zum Schreibtisch, dem einzigen Ruhepol inmitten der Verwüstung. Unverrückbar, wie geschaffen für einen Staatsmann, der auf seiner lackierten Mahagonioberfläche weltverändernde Verträge unterzeichnen will, ruhte er vor der Fensterfront zum See.
    Marc stieg über zerbrochene Gläser und schob mit dem Fuß einen umgerissenen Globus zur Seite, der einst als Minibar gedient hatte. Dabei überlegte er, wie er vorgehen sollte.
    Es war unmöglich, einen Komplex, der alleine sechs Schlafzimmer beherbergte, nach Gefahren abzusuchen. Wenn der Einbrecher sich noch im Gebäude befand, war er ihm ausgeliefert. Andererseits gab es für ihn keinen Grund mehr, zu bleiben. Hier in dem Chaos konnte er noch nicht einmal die Fernbedienung finden, um das Geplapper hinter sich abzustellen, geschweige denn die Antworten, die Licht in das Dunkel seiner Psyche bringen sollten.
    »Ja schon, aber was, wenn

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