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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Erinnerungen aus, so dicht wie die Schneeflocken, die wieder ins Auto wirbelten.
    Wenn er sich nicht irrte, hatten sie es zum letzten Mal in der Nacht gespielt, bevor sie den Wagen ihres Vaters im See versenkten.
    »Soll ich?«, fragte Marc.
    »Ja«, schrie Benny und hustete. Vielleicht lachte er auch, aber das war kaum noch zu unterscheiden. Sie bogen gerade auf die Heerstraße ein.
    »Okay, die Frage ist: >Liebes Radio-Orakel, wie geht das heute alles aus ?<<< Er beschleunigte auf fünfzig Stundenkilometer und tastete im Blindflug nach dem Radio.
    Werbung.
    »Wir haben keine Zeit, skip weiter!«
    Marc aktivierte den Sendersuchlauf, und sie landeten auf einem Jazz-, dann auf einem Klassiksender. Danach wurde entweder gequatscht, oder es liefen Nachrichten. Es klappte erst nach dem siebten Versuch.
    I know, I know what’s on your mind, sang eine hohe und markante Männerstimme. And I know it gets tough sometimes.
    »N a, das kannst du wohllaut sagen », rief Benny. Ich weiß, was du denkst. Manchmal ist es hart. Marc drehte sich um. »Weißt du, wer das ist?«
    Sein Bruder hielt die Augen geschlossen und zog bedauernd die Schultern hoch. Die Blessuren in seinem verquollenen Gesicht ließen die Schmerzen erahnen, unter denen er litt.
    »Du?«, fragte er kaum hörbar.
    Sie erreichten eine vereiste Brücke, die über die Havel führte, und die Reifen drehten durch. Marc fuhr langsamer, obwohl alles in ihm danach drängte, so schnell wie möglich in die Klinik zu kommen. Dort, wo Benny versorgt werden könnte.
    Und wo Sandra gerade ihr Kind zur Welt bringt? Fast war er glücklich, dass sein Gehirn sich mit dem kindlichen Spiel des Radio-Orakels beschäftigen durfte. So musste er nicht weiter darüber nachdenken, dass er gerade im Begriff war, zu der Entbindung seiner verstorbenen Frau zu fahren.
    »Ich hab’s gleich«, sagte er, als der Refrain begann. Cause it’s all right, I think we’re gonna make it. Marc wischte sich mit dem Ärmel das Gesicht trocken. Die Haut, die Lippen, sogar die Zunge schienen sich nicht mehr bewegen zu wollen. Doch bald hatten sie es geschafft. Verschwommen konnte er das Hochhaus erahnen.
    Die Senner-Klinik markierte die Grenze zwischen Spandau und Charlottenburg. Die meisten Gebäude des Komplexes erstreckten sich auf zwei, maximal drei Etagen und waren von der Heerstraße aus hinter den dichten Baumreihen kaum zu sehen. Nur der vierzehnstöckige Klinikneubau, in dem auch das Hotel für die Familienangehörigen und Kurgäste untergebracht waren, ragte wie ein Phallus heraus und diente den Autofahrern als Orientierungshilfe. Spätestens hier musste man den Blinker setzen, wenn man zu einem Konzert in der Waldbühne wollte. I think it might just work out this time.
    »Hörst du, was der singt? Alles wird gut. Wir werden es schaffen.«
    All right.
    Marc wusste, es war ein alberner, unsinniger und kindischer Aberglaube, aber er konnte dennoch nicht anders, als sich über das Ergebnis des Radio-Orakels zu freuen. Sie verließen die Heerstraße und bogen in eine private Zufahrtsstraße. Schilder mahnten zur Schrittgeschwindigkeit. Die Außenbeleuchtung war bereits eingeschaltet.
    »Okay, aber wie heißt der Sänger?« Benny hustete wieder, und jetzt klang es nicht mehr nach einem Lachen.
    Hat Valka ihn etwa doch getroffen?
    Die Angst um seinen Bruder vertrieb die unsinnige Euphorie.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Marc leise. Der Weg wurde immer schmaler und führte sie an einem Gästeparkplatz vorbei.
    »Scheiße, du weißt, was das bedeutet.«
    Marc nickte stumm. Natürlich kannte er die Regeln. Er selbst hatte sie schließlich erfunden, vor über zwanzig Jahren. Das Radio-Orakel galt nur, wenn man den Künstler kannte. Sonst brachte es Unglück.
    »J a, kein gutes Zeichen, aber mir fällt es gleich wieder ein … »
    Criss, Christoph, Chris fons, Christopher …
    Marc wusste, er hatte es beinahe, da klingelte ein Handy im Fußraum. Erstaunt sah er nach unten. »Hey, Kleiner, da will jemand was von dir.«
    Er bückte sich und langte nach dem Nokia mit dem blinkenden Display. Ein geschlossener Briefumschlag kündigte eine eingegangene SMS an.
    »Ist mir vorhin raus gefallen », sagte Benny.
    Marc zuckte zusammen, dann verkrampften sich alle seine Muskeln.
    ,>Was ist?«, fragte sein Bruder von hinten, doch Marc starrte wie paralysiert auf das Handy in seiner Hand. Das darf nicht wahr sein. Nicht auch das noch … Benny hatte die Vorschaufunktion aktiviert, so dass Marc für zwei Sekunden den

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