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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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zurückgekommen?«
    »Doch. Teile davon, aber erst in jüngster Zeit. Allerdings bin ich mir nicht sicher, was davon ein Traum ist und was sich wirklich ereignet hat.«
    »Interessant. Wovon träumen Sie denn?«
    Marc winkte ab. »Meistens kann ich mich am nächsten Morgen nur an unzusammenhängende Dialogfetzen erinnern. Sandra redet auf mich ein und fleht mich an, es nicht zu verhindern.«
    »Hast du nicht selbst immer gesagt, der Zweck heiligt die Mittel? Ist das nicht dein Lebensmotto?«
    »Du bist wahnsinnig, Sandra. Der Zweck heiligt doch niemals den Tod.«
    »Was wollten Sie verhindern?«
    »Keine Ahnung. Ich vermute, mein Unterbewusstsein spielt mir einen Streich, und ich rede hier von dem Unfall.« Marc überlegte gerade, ob er dem Professor wirklich jedes Detail ihrer letzten Unterhaltung wiedergeben sollte, als dieser die quälendste aller Fragen stellte.
    »Wieso hat sie sich abgeschnallt?«
    Er schluckte. Einmal, dann erneut, doch der Kloß im Hals schien nur noch größer zu werden.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er schließlich. »Sie griff nach hinten, vermutlich, um sich etwas zu essen zu holen. Sie war im sechsten Monat, und wir hatten immer etwas Süßes dabei, falls der Heißhunger zuschlug. Und das tat er regelmäßig, vor allem, wenn Sandra sauer war.«
    Marc fragte sich, ob jemand die Schokoladentafel aus dem Handschuhfach genommen hatte, bevor das Wrack in der Presse gelandet war, und bekam kaum noch Luft.
    »Was passierte dann ?«, fragte Bleibtreu leise. Ich sah, wie sie plötzlich etwas in der Hand hielt. Ein Foto? Sie zeigte es mir, aber es war farblos und grobkörnig. Ich konnte nichts erkennen. Überhaupt bin ich mir nicht sicher, ob ich das wirklich erlebt habe. Denn ich sehe es nur in meinen Träumen, auch wenn die von Tag zu Tag deutlicher werden.
    Bisher hatte Marc lediglich seinem Schwiegervater davon erzählt, und auch das nur ansatzweise, weil er dachte, der Traum könnte eine Nebenwirkung der Medikamente sein, die er wegen des Splitters nehmen musste.
    »Dann ist der Reifen geplatzt«, fuhr er fort. »Unser Auto hat sich zweimal um die eigene Achse gedreht, bevor es … »
    Er versuchte zu lächeln. Aus irgendeinem absurden Grund glaubte er, in der Gegenwart von Fremden die Tragödie herunterspielen zu müssen.
    »In der Senner-Klinik bin ich wieder aufgewacht, und den Rest können Sie ja nachlesen.«
    Bleibtreu nickte. »Wie fühlen Sie sich seitdem?« Marc griff zu dem Wasserglas, das schon fast leer war. Doch zum Nachschenken fehlte ihm die Kraft. Wie man sich so fühlt, wenn man seine Frau und seinen ungeborenen Sohn auf dem Gewissen hat. »Ich bin müde, schlapp. Jede Bewegung fällt mir schwer. Ich habe Schmerzen in den Gelenken und im Kopf.« Er versuchte zu lachen. »Stecken Sie mich in ein Altersheim, und ich habe jede Menge Gesprächsstoff.«
    »Typische Anzeichen einer schweren Depression.«
    »Oder jeder anderen tödlichen Krankheit. Ich habe die Symptome mal gegoogelt. Als Erstes poppte Bannerwerbung für Bestattungsinstitute und Sarghändler auf.« Bleibtreu zog die linke Augenbraue hoch und rief damit eine weitere Erinnerung an seine Frau hervor. Sandra hatte von Natur aus hoch geschwungene Brauen gehabt, die ihr einen permanent überraschten Gesichtsausdruck verliehen. »Und die Beschwerden haben Sie erst seit dem Unfall?« Marc zögerte mit der Antwort. Tatsächlich hatte es schon davor Tage gegeben, an denen er sich wie ein ausgewrungenes Handtuch gefühlt hatte, übernächtigt und verkatert, obwohl er nicht einen Tropfen Alkohol angerührt hatte. Constantin war sehr besorgt gewesen und hatte ihn zwei Wochen vor Sandras Tod zu einem Komplettcheck überredet, inklusive Bluttests und Kernspin, dabei jedoch nichts Außergewöhnliches entdecken können.
    »Sagen wir mal so, der Unfall hat meinen Zustand nicht gerade verbessert … »
    Ein helles Schnarren ertönte, und Marc brauchte eine Weile, bis er begriff, dass ihn der Alarm seiner Armbanduhr an die Pillen erinnerte. Er fingerte zwei röhrenförmige Kapseln aus der winzigen Tasche, die aus unerfindlichen Gründen bei den meisten Jeans innerhalb der rechten Hosentasche versteckt ist. Früher hatte er dort Kaugummis aufbewahrt. »Nehmen Sie diese Pillen wegen Ihrer Halsverletzung?«, fragte der Professor, als Marc die Tabletten mit dem letzten Schluck Wasser hinunterspülte. Er nickte und griff instinktiv an seinen Pflasterverband. »Die Ärzte wollen keine Operation riskieren. Der Splitter ist nur klein, aber er

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