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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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wollte. Komm mit.« Valka warf seine Schürze auf die Arbeitsplatte, griff sich die Gartenschere und gab ihm ein unmissverständliches Zeichen, ihm ins Hinterzimmer zu folgen.
    Der angrenzende fensterlose Raum wurde als Lager genutzt. Allerdings nicht für Blumen, Dünger oder Vasen, sondern für Abfälle, wie Benny schockiert feststellen musste. Menschliche Abfälle, und sie lebten noch.
    »Es wird Zeit, dass wir endlich deine HSP-Krankheit therapieren«, sagte Valka und zeigte auf einen Mann, der nackt an einem Andreaskreuz hing. In seinem Mund steckte ein orangefarbener Beißball, der in der Mitte eine strohhalmgroße Öffnung besaß, durch die der Nackte atmen musste. Er stand kurz davor, zu hyperventilieren, da er durch die bereits gebrochene Nase keine Luft mehr bekam.
    »Ich will, dass du jetzt ganz genau aufpasst«, sagte Eddy und schaltete eine Bauarbeiterleuchte an, die lose von der Decke hing. Dabei presste er die Gartenschere in seiner Hand rhythmisch auf und zu. Die Augen des Geknebelten weiteten sich, als er das Ratschen hörte. Noch konnte er die Klingen nicht sehen, da sein Kopf in einer schraubzwingenartigen Vorrichtung steckte, die ihm jede Seitwärtsbewegung unmöglich machte. Die Befestigungsschrauben steckten jeweils in seinen Ohren. Aus dem linken rann bereits Blut.
    Benny wollte sich abwenden.
    »Nein, nein, nein.« Eddy schnalzte mehrfach mit der Zunge, als wolle er ein Pferd beruhigen. »Schön hinsehen.«
    Er trat dicht an den Nackten heran und hielt ihm jetzt die Schere direkt vors Gesicht. Die Klingen funkelten in den Pupillen seines immer heftiger atmenden Opfers.
    »Der Artikel hat mir wirklich die Augen geöffnet, Benny. Darin stand nämlich, dass HSPler ein besonders stark ausgeprägtes Schmerzempfinden haben, stimmt das?«
    Benny brachte vor Entsetzen kein Wort heraus. »Manche sprechen nicht einmal auf Betäubungsmittel an. Stell dir vor, was das für Qualen beim Zahnarzt sind.« Eddy schob mit der Gartenschere die Oberlippe seines Folteropfers zur Seite. Der Mann hatte schlechte, nikotinverfärbte Zähne.
    »Aber am interessantesten fand ich, dass Menschen wie du besonders empfänglich für das Leid anderer sein sollen, Benny. Angeblich spüren sie den fremden Schmerz oft intensiver als den eigenen.«
    Eddy drückte mit seinem Daumen das rechte Augenlid des Mannes nach oben.
    »Hör auf«, wimmerte Benny und wusste, dass es sinnlos war. Valka wollte demonstrieren, was ihm blühte, wenn er die neunzigtausend Euro nicht zurückzahlte, die er sich bei ihm geborgt hatte. Eddy drehte sich ein letztes Mal zu ihm herum. »Das macht die Sache einfach für mich, mein sensibler junger Freund. Denn das bedeutet, ich kann dir weh tun, ohne dich zu verletzen.«
    Benny sah auf den rhythmisch pumpenden Oberkörper des nackten Mannes, der nicht älter als fünfundzwanzig sein konnte. Er blickte in seine hervorquellenden Augen und roch die Angst, die den feuchten Raum durchtränkte. Er konnte sie auf seiner Haut fühlen, unter seiner Zunge schmecken, und er wusste, er würde in wenigen Sekunden einen entsetzlichen Schmerz empfinden. So, als würde ihm selbst sein Augapfel aus der Höhle geschabt und mit einem rostigen Messer vom Sehnerv getrennt.
7. Kapitel
    Die BleibtreuKlinik lag in der Französischen Straße in einem mit Glas und Stahl veredelten Altbaublock unweit des Gendarmenmarkts, womit von vornherein klargestellt war, dass Kassenpatienten hier allenfalls als Putzfrau arbeiten durften.
    Nach der luxuriösen Auftaktfahrt, die ihn direkt vor die Privatfahrstühle im zweiten Untergeschoss der Tiefgarage geführt hatte, rechnete Marc mit allem: mit einem Koiteich am Empfang, echten Leinenhandtüchern auf den Designergästetoiletten und einem Wartezimmer, das mit der First Class Lounge von Singapore Airlines konkurrieren könnte. Und seine Erwartung wurde sogar noch übertroffen, als er feststellte, dass man von der luxuriösen Männertoilette aus einen Panoramablick über die Friedrichstraße genießen konnte. Wer hier oben angekommen war, mochte vielleicht an einer psychischen Störung leiden, aber er konnte weiterhin dem gemeinen Fußvolk auf den Kopf pinkeln. Seinem Vater hätte diese geschmackvolle Verschwendung von Patientenhonoraren sicher gefallen. Geld fühlt sich nur in einem schönen Portemonnaie wohl, war einer seiner Leitsprüche gewesen.
    Marc hingegen fühlte sich wie ein Vegetarier im Schlachthof, als er in dem modern gestylten Warteraum der Klinik die Verschwiegenheitserklärung

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