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Splitterfasernackt

Splitterfasernackt

Titel: Splitterfasernackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilly Lindner
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Männern.
    Natürlich zweifele ich an meinem Verstand. Es ist ein vorübergehender, trügerischer Waffenstillstand, dass Sex auf einmal etwas anderes geworden ist als pure Gewalt. Im Hinterhalt lauern versteckt die Männer mit den zu großen Schwänzen. Aber was soll man machen, wenn nicht immer weiter.
    Vielleicht aufhören.
    Doch womit?
    Mit allem.
    Und dann?
     
    Die Mädchen im Passion sind alle sehr lieb und aufmerksam. Zur Begrüßung werfen sie mir Handküsse oder ein strahlendes Lächeln zu, und zum Abschied drücken sie mir einen Kuss auf den Mund, so dass ich einen Augenblick lang den Geschmack von unzähligen Lippenstiften auf meinen Lippen habe. In einem Kauderwelsch aus Deutsch, Russisch, Englisch und Bulgarisch schnattern sie munter vor sich hin, lachen über die merkwürdigen Anrufer und Kunden, kämmen sich gegenseitig die Haare, suchen nach ihren Strings, tauschen ihre Röcke und Kleider, winken aus dem Fenster neugierigen Männern zu, telefonieren mit eifersüchtigen Ex-Freunden, surfen im Internet, zeigen mir Familienfotos oder schlafen, dicht aneinandergekuschelt, in dem Mädchenzimmer.
    Minny ist die mit der Lolita-Stimme. Und wenn sie anfängt zu lachen, klingt ein Nachhall durch die Räume des Passion; ein Widerhall, der so dicht ist wie schneeweißer Nebel, den man beinahe greifen kann. Sie hat lange, blond gefärbte Haare, bei denen man nur schwer erkennt, dass es sich um Extensions handelt. Minny geht fast jede Nacht auf irgendeine Party, ihr Tag beginnt erst in den späten Mittagsstunden. Sie ist genauso alt wie ich, und wir verstehen uns gut, aber wenn wir uns nicht im Passion kennengelernt hätten, dann wären wir wahrscheinlich niemals miteinander ins Gespräch gekommen. Minny hat viele Stammkunden, ihr Körper ist unheimlich sexy und zierlich, aber trotzdem kurvig, mit kleinen festen Brüsten, einem knackigen Po, und dazu hat sie auch noch ein süßes Gesicht.
    Valesca ist etwas älter, sie ist schon Mitte dreißig, und sieht ebenfalls sehr hübsch aus. Ihre Figur ist schlank, mit keinem überflüssigen Gramm Fett, und ihre langen schwarzen Haare reichen ihr fast bis zu den Hüften. Valesca trägt nur Designerlabels, achtet immer darauf, perfekt geschminkt zu sein, und wenn sie eine Sonnenbrille aufhat, sieht sie aus wie ein Upper-Eastside-It-Girl. In der nächsten Woche will sie sich noch längere Extensions machen lassen, diesmal in Blond. Fast alle Frauen im Passion haben künstliche Haare oder unechte Brüste.
    »Männer lieben langes Haare«, meint Marla dazu. »Und großes Lips. Valesca hat gut, sie nur einmal braucht zu streichen mit ihre Zunge über ihr Lips, und schon die Männer ganz verrückt nach sie.«
    Valesca lacht, spitzt ihre Lippen zu einem dicken Schmollmund und lässt geschickt ihre Zunge darüber gleiten.
    »Delicious cherry lips«, sagt sie und zwinkert mir zu. »Men are so easy to get.«
    Über Dasha weiß ich kaum etwas, abgesehen davon, dass sie ebenfalls Bulgarin ist und schon seit zehn Jahren in Berlin lebt. Mit Ende dreißig ist sie außerdem bei weitem die Älteste von uns, auch wenn sie noch sehr jung aussieht. Meistens kommt sie nur für ein paar abgesprochene Termine vorbei und geht danach gleich wieder.
    »Mein Sohn ist dreizehn Jahre alt«, erklärt sie mir eines Tages, »ich habe manchmal Angst, dass er rauskriegt, was ich nebenbei mache. Aber mit meinem normalen Putzjob verdiene ich so wenig Geld, und ich möchte mindestens einmal im Jahr nach Bulgarien fliegen und meine Eltern besuchen und Geschenke mitnehmen für die ganze Familie.«
    Manchmal bringt Dasha mir selbstgebackene bulgarische Teigtaschen mit und streicht mir übers Haar.
    »Achte gut auf dich, du kleiner Engel, hörst du!«, sagt sie dann.
    Und ich verspreche es ihr, obwohl ich nicht weiß, wie das geht.
    Monique ist Russin, sie kommt auch nicht regelmäßig, denn sie arbeitet nebenbei noch in anderen Läden, und nur wenn sie ein bisschen mehr Ruhe braucht, ist sie öfter bei uns. In den Nachtclubs, in denen sie strippt und mit Männern aufs Zimmer geht, verdient sie zwar besser, weil sie dort mindestens sechs Kunden pro Schicht hat, aber auf die Dauer ist es ihr zu anstrengend.
    »Zu viel Alkohol«, erzählt sie mir, »weißt du, Felia, ständig du musst etwas trinken – so viel trinken mit Kunden, ist unglaublich! Mir sein jeden Abend schlecht. Und immer viel rauchen und Drogen. Ist nicht gut. Probier lieber nicht aus. Du gewöhnst schnell dran, und dann du merkst eines Tages, wie

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