Splitterherz
möglicherweise einen Hinweis geben konnten, als ich forsche Schritte und ein Hundehecheln hörte. Beides kam direkt auf mich zu.
Hastig richtete ich mich auf und wischte mir die Hände am Hosenboden ab. Oh nein. Es war Benni, mit einem viereckigen schwarzen Hund an der Leine, der sich beim Hecheln immer wieder am eigenen Sabber verschluckte und irgendeine Fährte aufgenommen hatte. Quasi die verjüngte Version des Pensionärs mit Dackel. Benni hatte Schwierigkeiten, seinen vierbeinigen Begleiter zu halten, strahlte mir aber schon von Weitem entgegen. Verdammt. Das konnte dauern.
»Hey, Ellie«, rief er fröhlich und riss an der Leine, um seinen Hund zur Vernunft zu bringen. »Wie geht’s dir? Bist du wieder gesund? Was machst du hier?«
»Ja, ich bin wieder auf den Beinen«, sagte ich unverbindlich, aber freundlich.
»Schade, dass du beim Schulfest nicht da warst. Es war super. Die Schulband hat gespielt und wir haben unsere Projekte vorgestellt. Und, was machst du hier?«, wiederholte er beharrlich.
»Spazieren«, antwortete ich knapp. »Genesungsspaziergang sozusagen«, fügte ich mit einem gekünstelten Lächeln hinzu. Verschwinde, Benni. Bitte.
Er drehte sich suchend um die eigene Achse.
»Ganz allein? Und ohne Hund?« Sein eigener gab inzwischen Erstickungsgeräusche von sich, weil er so fest an der ledernen Leine zog, dass sich das Halsband tief in seine Kehle drückte.
»Wir haben keinen Hund. Und ja, allein. Du bist doch auch alleine.«
»He, ich bin ein Kerl«, scherzte er, wurde aber sofort wieder ernst. »Du solltest dich hier nicht ohne Begleitung herumtreiben. Ehrlich nicht. Ich war bei Papa auf dem Hochsitz, aber Sam dreht durch. Irgendwas hat er. Ich bring ihn jetzt zurück. Das ist keine gute Gegend für einsame Spaziergänge, wirklich nicht.«
Sam grub winselnd seine Nase in das Laub am Wegesrand. Warum konnte Benni nicht einfach verschwinden?
»Wieso denn nicht? Ist doch nur ein Wald mit Wanderwegen.« Oh Ellie - keine Gegenfragen. Sonst dauert das alles noch länger.
»Ach, das weißt du sicher nicht. Hier wohnt so ein komischer Kerl«, erklärte Benni mit väterlicher Miene. »Der hat sich das alte
Forsthaus gekauft, vor einigen Jahren. Er arbeitet wohl auch für das Forstamt. Mein Vater sagt, dass der nicht ganz sauber ist. Er wollte am Anfang nicht mal Strom haben. Und der wohnt da ganz alleine.«
Nun fiel ihm etwas ein. »Vielleicht kennst du ihn ja doch - der war auf der 80er-Jahre-Party! Erinnerst du dich? So ein langer dunkler Typ ...«
Ich stellte mich dumm. »Keine Ahnung, wen du meinst. Aber ich komme schon zurecht. Ich geh ja nur ein paar Schritte und dann kehre ich um.«
Das war glatt gelogen. Aber es blieb mir nichts anderes übrig. Sam fing an zu kläffen und zu japsen.
»Ich begleite dich«, beschloss Benni und bot mir seinen Arm an.
»Nein! Nein. Ich gehe lieber alleine. Ehrlich. Meine Eltern haben mich so umsorgt, als ich krank war, ich brauch einfach ein bisschen Ruhe und ich bleibe nicht lang ...«
Benni schaute mich zweifelnd an.
»Ich würde dir ja Sam ausleihen, aber ...« Er musste nichts sagen. Sam lag platt gedrückt auf dem Boden, den Schwanz eingeklemmt, und ließ lange Sabberfäden aus seinem Maul laufen. Knurrend presste er sich seinem Herrchen zwischen die Füße. Er wirkte auf mich, als würde er in den nächsten Minuten einen epileptischen Anfall erleiden.
»Ich glaube, du solltest ihn zum Arzt bringen. Er sieht nicht gut aus«, sagte ich Unheil verkündend.
Benni strich seinem Hund sorgenvoll über das zitternde Fell. Sam robbte wie ein gestrandeter Fisch in Richtung Weggabelung. Weiter hinten im Gebüsch entdeckte ich einen vertrauten, hochbeinigen Schatten. Auch das noch - Mister X.
»Vielleicht hast du recht. Die Tierklinik hat samstags offen. Da krieg ich noch einen Termin, wenn ich Glück habe.«
»Mach das. Ich komme zurecht, ich geh nicht mehr weit. Vielleicht hole ich dich noch ein.« Ich versuchte mich an einem Zwinkern. Hinter Benni hatte sich Mister X frech mitten auf den Weg gesetzt und leckte sich hingebungsvoll seinen Intimbereich. Sams Speichel verwandelte sich in Schaum.
»Okay, ich verschwinde. Pass auf dich auf, Ellie. Ruf mich auf dem Handy an, wenn was ist!«
Das Handy. Es lag zu Hause auf der Fensterbank. Ich hatte es tatsächlich vergessen. »Klar, mach ich«, log ich.
Sobald sich Benni in Bewegung setzte, machte Sam einen fahrigen Sprung nach vorne und zwang sein Herrchen zum
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