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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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gab kurz seine Augen frei. Sie waren blutunterlaufen.
    »Du hast mir immer eingebläut, dass ich mich auf meine Intuiti­on verlassen soll. Und das befolge ich. Nichts sonst«, sprach ich weiter.
    Papa stöhnte erneut. »Elisa, muss das denn sein? Du hast doch hier alles, was du brauchst.«
    »Alles, was ich brauche?«, rief ich hart. »Mir fehlt eine ganze Menge !«
    »Ein raffgieriger Mahr vielleicht, der dir den letzten Funken Le­benswillen aus dem Leib saugt?«, höhnte Papa. »Als ob wir dir nicht alles geboten hätten! Welches Kind darf sich denn so glücklich schätzen, mit 200 Euro Taschengeld pro Monat um sich werfen zu dürfen, jedes Wochenende auszugehen, stets die teuersten Klamotten zu tragen -«
    »Papa, ich bitte dich!«, brüllte ich aufgebracht und stellte erstaunt lest, dass auch ich ganz schön laut sein konnte. »Du müsstest am ehesten wissen, dass mir das alles nichts bedeutet. Glaubst du denn im Ernst, ich hab ein so tolles Leben geführt?«, rief ich und sprang auf. Ich konnte nicht länger wie eine Angeklagte vor Gericht auf meinem Stuhl sitzen bleiben. »Ich habe meinen Bruder seit fünf Jahren nicht mehr gesehen. Seit fünf Jahren! Du hast ihn vertrieben und es kümmert dich nicht einmal.« Ich wusste, dass das nicht stimmte, aber das war mir gleichgültig. Ich war noch nicht fertig.
    »Weil ihr anders seid, bin ich auch anders. Es ist kein Vergnügen, immer herauszustechen und mehr zu fühlen, zu sehen und zu hö­ren als der Rest der Welt. Das macht keinen Spaß. Es macht auch keinen Spaß, dass jeder Junge, den man mit nach Hause bringt, sich in die Hosen pinkelt vor Angst, wenn er dich sieht. Oder dass meine besten Freundinnen für dich schwärmen. Das ist ekelhaft!«
    Wütend stieß ich meinen Stuhl weg. Und es machte mich noch wütender, dass Mamas Mundwinkel kurz zuckten. Wehe, sic amü­sierte sich über mich. Mir war es ernst.
    »Wir haben versucht, dir ein normales Leben zu bieten«, sagte Papa gemessen.
    »Ein normales Leben!«, spottete ich. »Mein gesamtes Leben be­stand nur aus Angst, weil ich wahrscheinlich irgendwie immer ge­spürt habe, dass etwas mit uns nicht stimmt. Und es macht mich nicht gerade mutiger zu wissen, dass Mama in deiner Nähe in Ge­fahr ist und ich es möglicherweise auch bin. Ich kann nicht mehr so tun, als wäre alles in Ordnung. Es ist nichts in Ordnung! Nichts!«
    Weil ich meinem Ärger Luft machen musste, fegte ich die ungele­sene Morgenzeitung vom Tisch und trat sie mit dem Fuß in die Ecke. Mama sah mir interessiert dabei zu. Papa schwieg nur, sein Gesicht eine starre Maske, auf der keinerlei Gefühle abzulesen wa­ren.
    »Du bist anders, Papa, und ich bin es auch. Colin ist ebenfalls an­ders. Du kannst nicht erwarten, dass ich mich von ihm fernhalte. Er ist der erste Mensch, bei dem ich mich verstanden fühle. Und alles andere geht euch nichts an.«
    Es entstand ein eisiges Schweigen.
    »Er ist kein Mensch, Elisabeth«, sagte Papa schließlich drohend.
    »Du auch nicht.« Wir standen dicht voreinander, die Arme ver­schränkt, die Köpfe erhoben, und blickten doch am anderen vorbei.
    »So, mir reicht das jetzt!«, beschloss Mama und schob uns resolut auseinander. Sie sah mich ungewohnt mütterlich an. »Wir wollen dich nicht auch noch verlieren, Lieschen.« Lieschen. So hatte sie mich früher genannt, wenn ich nicht schlafen konnte oder unter Bauchweh litt oder mir das Knie aufgeschlagen hatte. Papa schnaubte verächtlich.
    »Dann lasst mich tun, was ich für richtig halte«, entgegnete ich mit fester Stimme. »Es gibt keinen Weg zurück.«
    Ich erschauerte. Ja, es war vorbei. Kein Lieschen mehr. Einen kur­zen, schwankenden Moment lang wollte ich anfangen zu weinen und beide um Verzeihung bitten. Ich musste wie eine Fremde auf sie wirken.
    »Gott, Papa, warum musstest du auf diese Insel fahren? Warum?«, stieß ich hervor und Tränen füllten meine Augen. »Konntest du nicht wie alle anderen Passagiere am Strand bleiben und Cocktails trinken?«
    Papa sagte lange nichts. Es brach mir das Herz, ihn so anzuklagen. Meine Worte schossen wie frisch geschärfte Messer durch den Raum.
    »Ach, Elisa«, sagte er ruhig. »Was glaubst du, wie oft ich mich das gefragt habe? Aber es ist geschehen. Ich habe keine Wahl mehr. Du hast sie noch. Du hast eine Wahl.«
    »Nein!«, rief ich verzweifelt. »Versteht ihr das denn nicht? Ich habe keine. Hier geht es nicht um Abenteuerlust. Es geht um -«
    Ich wagte es nicht, das Wort auszusprechen. Es war zu groß. Zu

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