Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
Großbuchstaben auf dem Display. Die angezeigte Nummer kannte ich nicht. Komm runter? Colin konnte das nicht sein. Er hatte mir unmissverständlich klargemacht, niemals eine SMS zu schicken. Ich blieb stocksteif stehen und hörte dem aufgeregten Pochen meines Herzens zu, das sich anfühlte, als habe es sich aus seiner festen Verankerung von Muskeln und Venen gelöst, um mit den nächsten Atemzügen aus meiner Brust zu sprin­gen.
    Einfach ignorieren, beschloss ich. Vielleicht ist es ein Irrtum. Eine Ziffer falsch eingegeben. Bestimmt ist es so.
    Als das Handy erneut vibrierte, warf ich es panisch von mir. Es landete weich auf einem Flickenteppich und brummte unbeein­druckt weiter. Ich ließ mich auf den Boden sinken und drehte es mit zittrigen Fingern um. »Nun komm endlich runter.« Okay. Mama und Papa waren in Italien. Nicole und Jenny auf Ibiza. Colin schrieb keine SMS. Vermutlich besaß er nicht einmal ein Handy. Es konnte sich nur um einen Irrtum handeln. Und das würde ich mir jetzt selbst beweisen, damit ich endlich schlafen konnte. Ich zog mir mei­nen Bademantel über und tapste barfuß die Treppe hinunter. Zuerst wollte ich einen Blick in den Garten werfen. Dann auf die Straße. Doch das brauchte ich nicht mehr. Vor der Garage tigerte eine klei­ne, aufrechte Gestalt mit einem wilden Haarschopf auf und ab. Und ich hätte meine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass dieser Haarschopf rot war. Ich drehte fahrig den Schlüssel und riss die Wintergartentür auf.
    »Sag mal, bist du von allen guten Geistern verlassen?«, schimpfte ich gedämpft, um die Nachbarn nicht auf uns aufmerksam zu ma­chen. Es hörte sich an wie das Zischen einer Schlange.
    »Na endlich«, entgegnete Tillmann unbeeindruckt. »Hallo, Ellie.«
    Er löste sich von der Garagenwand und blieb am Fuß der Treppe vor mir stehen. An seiner Hand baumelte eine große Taschenlampe. Ich wickelte mir meinen Bademantel enger um die Taille und kno­tete den Gürtel fest zu. Immerhin war ich darunter fast nackt.
    »Was machst du hier?«, fragte ich ihn barsch. »Und woher hast du überhaupt meine Nummer?«
    »Ich hab Benni gesagt, dass ich mich bei dir bedanken will. Für die Sicherung der Mülltonnen.«
    »Und das willst du unbedingt mitten in der Nacht tun?« Es war eine schöne Nacht. Ein warmer, schmeichelnder Wind wehte und im Garten roch es betäubend süß nach reifen Himbeeren und Ro­senblüten. Der Mond hing als hauchdünne silberhelle Sichel knapp über dem Bergkamm. Als ich ihn betrachtete, musste ich an die Ta­rotkarte denken, und schon fand ich die Nacht nicht mehr ganz so schön. Außerdem wurden meine Füße langsam kalt.
    »Nein«, antwortete Tillmann bemüht geduldig. »Ich wollte mich nicht bedanken. Das war ein Vorwand, um -«
    »Hättest es aber ruhig tun können«, unterbrach ich ihn schnip­pisch.
    »Das tut jetzt nichts zur Sache. Zieh dich mal gescheit an, ich will dir was zeigen.«
    Mir was zeigen. Der hatte Nerven. Langsam begann ich es zu be­reuen, dass ich ihn vor Oliver verteidigt hatte.
    »Bist du betrunken?«, fragte ich etwas milder.
    »Nein.« Jetzt war es mit seiner Geduld vorbei. Er stiefelte die Treppe hoch und hauchte mich ohne Vorwarnung an. Eine Spur Kaugummiaroma und Pfeife, sonst nichts. »Mach schon. Ich denke, es ist die richtige Zeit.«
    Eine Weile schauten wir uns an, er aufmerksam und sehr von sei­nem Anliegen überzeugt, ich zweifelnd und nach Spuren von  Dro­genmissbrauch und aufkeimendem Wahnsinn suchend. Aber ich fand keine. Tillmann wirkte sehr selbstsicher und wie immer kühl und feurig zugleich. Eine heikle Mischung.
    Ich gab mich geschlagen. Wehe, die Sache war es nicht wert, sich zu Unzeiten wieder anzuziehen und von einem Hobbyindianer ent­führen zu lassen. Vorsichtshalber wählte ich robuste Klamotten: Jeans, Kapuzenpulli und meine Chucks, denen man das harte Leben im Wald langsam ansah. Auf dem Weg zurück zu Tillmann angelte ich mir eine Packung Kekse aus dem Küchenschrank und klemmte mir eine Flasche Wasser unter den Arm.
    »Fertig?«, fragte Tillmann, der sich auf die Stufen der Außentrep­pe gesetzt hatte und mit dem Lichtkegel der Taschenlampe spielte.
    »Hmpf«, brummte ich. Nun blieb mir nichts anderes übrig, als ihm zu folgen und darauf zu vertrauen, dass sich die Anstrengung auch lohnte. Denn für so einen kleinen Kerl legte Tillmann einen Affenzahn vor. Und er schien genau zu wissen, wohin er gehen musste.
    »Was willst du mir denn zeigen?«, japste ich, als er eine Weggabe­lung

Weitere Kostenlose Bücher