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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Umzäunung krachen ließ und dabei Schaum­flöckchen versprühte.
    »Soll ich gehen?«, fragte ich mit piepsiger Stimme. Ich wollte kei­nesfalls die Schuld daran tragen, wenn Louis Colin umbrachte.
    »Bloß nicht!«, rief Colin bissig und setzte sich noch fester in den
    Sattel, um dann auf Gälisch mit Louis zu schimpfen. Immer wieder trieb er den Hengst im langsamen, kontrollierten Galopp um das Viereck oder im Rund. Und immer wieder versuchte Louis, ihn los­zuwerden. Doch Colin blieb eisern oben. Erst als es dunkel gewor­den war und die Grillen im Gras zu zirpen begannen, lockerte Colin die Zügel. Louis machte den Hals lang und prustete echauffiert.
    »So«, sagte Colin zufrieden und stieg ab. »Geht doch.« Ich hatte den Rest Brot in meiner Hand zu einer schwitzigen Kugel verknetet, die an meinen Fingern klebte. Nervös schüttelte ich sie ab.
    »Was war denn das?«, fragte ich heiser.
    »Das Übliche«, antwortete Colin lakonisch und gab Louis einen freundlichen Klaps auf den Hintern. »Machtspielchen.«
    Ich verkniff mir einen sarkastischen Kommentar. Colin wirkte, als sei er gerade einem Jungbrunnen entstiegen. Erfrischt und mit sich selbst im Reinen. Er nahm Louis Sattel und Zügel ab, legte ihm ein Halfter um und machte eine aufmunternde Bewegung in meine Richtung. Oh nein. Er wollte doch nicht wirklich mit Godzilla und mir spazieren gehen.
    »Dann eben nicht. Morgen ist dein Auge grün und deine Rippen beißen dich bei jedem Atemzug«, sagte er achselzuckend, während Louis brav wie ein Lämmchen neben ihm hertrottete.
    Erst als ich beide in der zunehmenden Dunkelheit kaum mehr vom Wald unterscheiden konnte, überwand ich meine Furcht und rannte ihnen hinterher. »Da bin ich«, meldete ich mich schnaufend zu Wort.
    »Gut«, sagte Colin kurz. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und bemühte mich um einen sicheren Platz an Colins linker Seite - weit weg von Louis, der alle paar Meter stehen blieb, um Gras am Wegesrand zu rupfen.
    Jetzt verließ Colin den Pfad und bahnte sich schlafwandlerisch seinen Weg durch den dichten Wald. Hin und wieder mussten wir innehalten und auf Louis warten, der uns malmend am langen Führstrick folgte. Ich wusste nicht, ob ich jemals eine so schöne Sommernacht erlebt hatte. Nein, wahrscheinlich nicht, denn seit­dem ich denken konnte, hatten wir im Juli oder August die Flucht in die Kälte ergriffen und waren an die unwirtlichsten Orte der Welt gefahren.
    Um uns herum wisperte, raschelte und zirpte es in einem fort und die schwüle Luft duftete nach Harz, sonnenwarmen Kiefernnadeln, Laub und Blüten. Der Mond war eine hauchdünne Sichel, die je­doch genügend silberblaue Helligkeit spendete, um Colins Haut zum Blühen zu bringen. Wann immer ich ihn anschaute, sah ich Lichtreflexe in seinen Augen funkeln. Ein beständiger Wind spielte mit meinen Haaren und trocknete den Schweiß auf meiner Stirn. Immer wieder lösten sich ganze Schwärme an Glühwürmchen aus den Büschen und ließen sich auf Colins kühler Haut nieder. Ich ängstigte mich nicht einmal vor den warnenden Rufen der Käuz­chen, die wie sanftes Wehklagen aus dem Totenreich durch die fins­teren Baumwipfel schallten. Nun gesellte sich das versunkene Plät­schern träge dahinfließenden Wassers hinzu. Wir hatten den Bach erreicht.
    Stumm begann Colin sich auszuziehen. Ich blickte höflich weg und schaute dann doch wieder hin.
    »Was tust du da?«, fragte ich überflüssigerweise, als er seine Gür­telschnalle löste.
    »Wonach sieht es denn aus?«, entgegnete er mit einem Zwinkern in den Augen. Zu seinem Hemd, das er achtlos auf den mit Gras bewachsenen Grund flattern ließ, gesellten sich seine Stiefel. Und dann die Hose. Und dann? Scheu sah ich auf. Oh. Colin verzichtete offenbar generell auf jegliche Unterwäsche. Er trug nur noch das breite Lederarmband um sein rechtes Handgelenk. Verlegen richtete ich meine Augen wieder zu Boden.
    Ich hatte genau drei Möglichkeiten: flüchten, ihm bei seinem nackten Vergnügen zusehen oder es ihm gleichtun.
    »Ach, scheiß doch der Hund drauf«, brummelte ich zu mir selbst und schlüpfte aus meiner Jeans. Wenn ich mich beeilte, würde ich es mir kaum anders überlegen können. Dazu hatte ich zu wenig an. Rasch entledigte ich mich meines Shirts und Slips und legte das Klamottenbündel auf einen Baumstumpf.
    Colin stand bereits bis zu den Hüften im Bach, mit dem Rücken zu mir, und breitete die Arme aus.
    So geräuschlos wie möglich kletterte ich die Uferböschung

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