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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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sicher. Außerdem - ich konnte atmen. Da war keine Last mehr auf meiner Brust. Dieses Asthmagefühl - es war weg! Vollkommen verschwunden. Sie hat mich geheilt.«
    »Geheilt«, schnaubte ich. »Er kämpft jetzt gerade gegen sie. Und wahrscheinlich wird er verlieren«, erstickte ich seine unseligen ver­liebten Gedanken.
    »Und wenn er verliert?«, fragte Tillmann.
    »Dann gnade uns Gott.« Das klang pathetisch. Aber ich fühlte diese Worte. Wenn Colin sich mit Tessa zusammentat und uns heimsuchte, waren wir verloren. Andernfalls starb er. Schweigend hörten wir Louis dabei zu, wie er Gras rupfte und hin und wieder prustete, als wolle er sich selbst beruhigen, bis Papa aus dem Wintergarten trat und zu uns herunterkam. Ich hatte ihn schon lauern gesehen, als wir Louis festmachten.
    »Eine zugelaufene Katze ist ja in Ordnung, Ellie. Aber ein zu­gelaufenes Pferd ...«
    »Nur für eine Nacht«, sagte ich abweisend. »Morgen suche ich ihm eine Unterkunft.« Ich hob meinen Blick und sah Papa an. Er wusste doch genau, dass dieses Pferd Colin gehörte. Und mit Si­cherheit hatte er geahnt oder sogar gehört, was ich Tillmann eben erzählt hatte. Umso besser, dass ich das, was vor Colins Haus ge­schehen war, und erst recht Colins Brief mit keinem Wort erwähnt hatte.
    Ich presste mein Knie an Tillmanns Bein, um ihn zu warnen.
    »Colin ist geflohen«, sagte ich, ohne meine Augen von Papa ab­zuwenden. Eine kurze Welle durchlief Tillmanns Körper, doch er blieb still.
    »Gut«, antwortete Papa ruhig, ohne sich zu rühren. »Sehr gut.«
    Er blieb stehen und blickte mich bohrend an. Ich hielt ihm stand. Seine Miene war verschlossen. Ich wusste nicht, was er plante, und überlegte, welche schweren Gedanken er hin und her wälzte. Aber es dauerte, bis er sich endlich umdrehte und zurück ins Haus ging.

    Blutbad
    Der Schock kam spät in der Nacht. Plötzlich schlug mein Herz so schnell und unregelmäßig, dass ich für einen Augenblick dachte, ich müsste auf der Stelle den Notarzt rufen. Der Schweiß brach mir aus allen Poren und mir wurde schwindelig. Ich fegte meine Decke zur Seite, wälzte mich aus dem Bett und riss ein Fenster auf, dann das nächste und wieder das nächste, bis alle sechs Fenster weit geöffnet waren und die würzige Nachtluft mein erhitztes Gesicht kühlte.
    Schon jetzt glaubte ich, die Ungewissheit darüber, was mit Colin im Wald geschehen war, nicht mehr eine einzige Sekunde aushalten zu können. Angestrengt lauschte ich nach draußen, ob die Nacht mir irgendetwas über den Verlauf des Kampfes erzählen konnte.
    Doch alles wirkte friedlich. In der Ferne fuhr ein Auto vorüber und dann schallte das gedämpfte Brummen eines Flugzeugs durch die Stille. Louis stand dösend unten im Garten, den linken Hinter­huf eingeknickt. Doch seine Ohren hatte er nach vorne gerichtet, bereit, sofort ins Dunkel zu fliehen, sobald er Colins Ruf wahr­nahm.
    Tillmann und ich hatten gestern nicht mehr lange unter dem Ga­ragendach gesessen. Es war spät geworden und er musste nach Hau­se. Kurz war ich versucht gewesen, ihn auszufragen, was er denn überhaupt für ein Zuhause hatte. Ob seine Mutter sich denn nicht sorge, wenn er so lange alleine durch den Wald streunte. Was sein Vater mache, wenn es denn einen Vater gab. Aber wir hatten schon so viel geredet und ich konnte ihm ansehen, dass er noch mit Tessa beschäftigt war. Sie wirkte nach.
    Anschließend versuchte ich mich mit dem Gedanken zu beruhi­gen, dass der Kampf womöglich gerade erst begonnen hatte. Sollte Colin keine Chance haben, war es rasch vorbei. Sollte er doch, dann würde es zumindest bis morgen andauern. Und ob ich wollte oder nicht - ich musste schlafen. Ich konnte vor Erschöpfung kaum mehr einen Fuß vor den anderen setzen und ich war sogar zu müde, um etwas zu trinken. Doch der Schlaf währte nur kurz.
    Nun stand ich krank und elend am Fenster, bis mein Herz sich wieder einigermaßen beruhigt hatte und nur noch ab und zu sein Tempo beschleunigte, als sei der Teufel persönlich hinter mir her. Und so ähnlich war es schließlich auch gewesen. Tessa war eine Teu­felin. Wie hatten Colin und Tillmann ihr nur verfallen können? Sie war nicht nur ungepflegt und ordinär. Sie war in meinen Augen auch eine gierige, widerwärtige Schlampe.
    Ich wollte mir nicht ausmalen, was genau sie mit Colin angestellt hatte - damals, während seiner Bluttaufe. Ob es damit zu verglei­chen war, was Menschenmänner und Menschenfrauen miteinander taten? Mir wurde schlecht

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