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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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ich. »Sorry«, setzte ich hinterher und versuchte mich an einem Lächeln. Es misslang gründlich.
    »Du hast etwas vor, oder? Du planst etwas ...«
    »Tillmann - ich - ich hab keine Ahnung. Ja, vielleicht habe ich was vor. Vielleicht auch nicht. Ich muss nachdenken. Aber egal, was dabei rauskommt - wir müssen uns vorher ausruhen. Und zwar gründlich.«
    Das Wörtchen »wir« wirkte Wunder. Wortlos und in einem Af­fentempo lief er mir voraus in Richtung Rieddorf. Ich eilte ihm hin­terher, denn diesen Weg hatte ich ohnehin einschlagen wollen. Als wir die Ortsmitte erreicht hatten, beschloss er mit einem ergebenen Seufzen, mich wieder wahrzunehmen. Er drehte sich zu mir um und sah mich reserviert an.
    »Na gut«, murrte er. »Ich muss wirklich dringend schlafen. Ich hab die ganze Nacht über diesen - Scheiß nachgedacht.«
    Schon hatte er sich ohne einen Gruß umgedreht und die Stra­ßenseite gewechselt. Eine merkwürdige Freundschaft war das.
    »Dir auch einen schönen Tag«, knurrte ich. Dann lief ich zur Post­stelle und wühlte mich hastig durchs Telefonbuch. In der Schule würde ich meinen Biologielehrer kaum finden. Ich probierte es zu­erst in Rieddorf. Schütz. Es gab nur drei Einträge. In Köln wären es unzählige gewesen. Manfred. Das war er. Wenigstens etwas, das pro­blemlos funktionierte. Ich notierte die Adresse und ließ mir den Weg dorthin in der Tankstelle gegenüber erklären.
    Zehn Minuten später stand ich vor einem grau verputzten Häus­chen, das dringend eine Renovierung nötig gehabt hätte. Das Klin­gelschild war vergilbt und neben dem Eingang verrotteten wild wachsende Buschrosen. Ich musste dreimal läuten, bis die Tür sich endlich öffnete. Herr Schütz empfing mich in einem blau-schwarz gestreiften Morgenmantel und mit wirrem Haar, das in alle  Him­melsrichtungen abstand. Dazwischen schimmerte seine kleine, run­de Glatze.
    Verschlafen blinzelte er mich an und konnte ein Gähnen nicht unterdrücken.
    »Elisabeth - was machst du hier? Ist etwas passiert?«
    Er bewegte sich müde zur Seite, sodass ich eintreten konnte. Es roch nach Tabak, Rasierschaum und gebratenen Spiegeleiern, ein sehr menschlicher und einlullender Geruch. Die Einrichtung wirkte zweckmäßig und vernachlässigt. Keine Teppiche auf dem abgenutz­ten Parkett, keine Dekoration, keine Pflanzen. Herr Schütz schlurfte mir voraus in eine altmodische Küche mit summendem Boiler an der Wand. Gähnend nahm er einen Stapel Zeitungen von der Eck­bank, damit ich mich setzen konnte.
    »Kaffee?«, fragte er.
    »Oh ja«, seufzte ich. Als die Kaffeemaschine zu gluckern begann, fielen mir vor Erschöpfung die Augen zu. Für einen Moment ließ ich den Kopf an die Wand sacken und genoss die Normalität um mich herum - auch wenn sie einsam und wenig einladend wirkte. Inzwischen war ich mir fast sicher, dass Herr Schütz allein lebte. Ich konnte keinerlei Spuren eines weiblichen Wesens erkennen. Nichts, was die Wohnung wie ein Heim wirken ließ.
    Ich kniff mir in die Wangen, damit wieder Leben in mein Gesicht zurückkehrte. Schließlich war ich nicht hergekommen, um Kaffee zu trinken. Kämpfe zwischen Nachtmahren mochten sich über Tage hinziehen, selbst zwischen zwei ungleichen Gegnern wie Colin und Tessa. Dennoch wollte ich keine Zeit verlieren. Ich musste meinen Plan weiterstricken, der auf dem Weg vom Stall hierher langsam Gestalt angenommen hatte. Einen Plan brauchte ich, sonst würde Tessa mich in der Luft zerfetzen. Und ich brauchte einen besseren, durchdachteren als den von gestern Abend.
    »Also, die Spinne«, begann ich schleppend. »Es tut mir leid, dass ich gestern einfach abgehauen bin. Aber ich - ich hatte etwas sehr Dringendes zu erledigen. Etwas Eiliges. Es konnte nicht warten.«
    Herr Schütz hörte mir schweigend zu und schlürfte seinen Kaffee. Er schien langsam wacher zu werden. Seine Haare waren immer noch morgenstörrisch und ließen sich auch nicht glätten, als er sich nachdenklich über den Kopf fuhr.
    »Wie dem auch sei«, fuhr ich fort. »Ich würde gerne wissen, was mit ihr ist. Wie sie sich jetzt verhält. Zittert sie noch?« Ich bemühte mich, sachlich und interessiert zu klingen, aber meine Stimme hatte einen gequälten Unterton. Herr Schütz stand auf, ging in das Ne­benzimmer und kam mit dem Terrarium in den Händen zurück.
    Die Spinne zitterte nicht mehr. Sie sah sogar aus, als sei kein Fünk­chen Leben mehr in ihrem Körper. Die Farbe ihres Panzers hatte ihr giftiges Schimmern verloren und die

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