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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Bann gebrochen war und er ihr widerstand. Bevor Tessa begriff, dass sie mit Tillmann nicht allein war - Colin hatte recht, sie war reichlich schwer von Begriff -, hatte ich mich an ihr vorbeigedrückt und rannte ums Haus herum.
    Louis galoppierte panisch an seinem Gatter auf und ab und warf seinen Körper gegen den Zaun. Als er mich sah, hielt er für einen Moment inne. »Louis, ich bin es«, raunte ich und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass er meine Stimme erkannte. Das Halfter mit dem langen Führstrick lag neben dem Holzstoß auf Colins
    Putzkiste. Trense und Sattel wären besser gewesen, aber ich konnte ohnehin nicht reiten, also war es egal, mit welchem Equipment ich mir den Hals brach.
    Das Gatter durfte ich nicht öffnen. Louis würde sofort fliehen. Ungeschickt kletterte ich über den Zaun. Weicher Blick, mahnte ich mich, wie ich es bei Colin gelernt hatte. Nur nicht in die Augen schauen. Ich sah nach unten auf Louis’ tänzelnde Hufe, bis ich di­rekt vor ihm stand. Das Halfter war schon geöffnet, ich brauchte es ihm nur überzustreifen. Ich musste mich auf die Zehenspitzen stel­len, doch es ging einfacher, als ich dachte. Schnell schob ich den Dorn des Verschlusses durch die Öse.
    »Louis«, wisperte ich, so beruhigend es mir in dieser Situation möglich war. »Komm jetzt bitte mit.« Ich stieß das Gatter auf. Louis schoss an mir vorbei. Beinahe wäre mir der Strick aus den Händen geglitten. Wie ein Cowboy stemmte ich meine Absätze in den Boden und warf mich dagegen. Louis stoppte schwer atmend. Ich hielt das Seil immer noch in meinen blutenden Händen. Forsch schritt ich um das Haus herum, das riesige, vor Angst prustende Pferd im Schlepptau.
    Ich hätte zwar vor Erleichterung den Boden küssen können, als ich sah, dass Tillmann ihr widerstanden hatte. Doch er hatte Tessa damit bis aufs Blut gereizt. Immer wieder musste er sich auf den Kies werfen und seitlich wegrollen, damit sie ihn nicht zwischen ihre Klauen bekam. Er schwitzte und seine Wangen glühten. Seine Bewegungen wurden schwerfälliger. Ich wunderte mich, dass er noch keinen Asthmaanfall erlitten hatte, und beschleunigte meine Schritte. Tillmann strauchelte, als er Tessa ein weiteres Mal ausweichen wollte. Blitzschnell ergriff sie die Gelegenheit und stürzte sich auf ihn. Schon schob sie ihre Hüften auf seinen Bauch und stieß ein kaltes, kehliges Gelächter aus.
    Tillmann ließ die Arme zur Seite sinken. Es war zu spät. Sie würde ihn sich nehmen. Doch plötzlich riss er ruckartig den Kopf nach oben und sah sie hart an.
    »Colin«, sagte er nur und schon durchlief ein animalisches Zittern Tessas zierlichen Mädchenkörper. »Er ist da draußen.« Tillmann zeigte auf den Wald. Nein, stöhnte ich in Gedanken. Warum verrätst du ihn? Warum tust du das? Tessa ließ Tillmann los und drehte sich witternd um.
    »Na, such, Hündchen, such«, forderte Tillmann sie spöttisch auf.
    Ich trat zwischen ihn und Tessa, den Strick fest in meiner rechten Hand. »Du wirst Colin nicht kriegen. Niemals«, sagte ich kalt und blickte Tessa direkt an. Nun nahm sie mich endlich wahr und sah mir in die Augen. Ein wenig erstaunt, ein wenig belustigt - und abgrundtief böse.
    Noch einmal lachte sie schrill, erhob ihre Krallen und schritt wie­gend auf mich zu.
    Okay. Genug der Redseligkeiten. Louis begann hinter mir zu steigen und ich konnte den Strick kaum mehr halten. Ich wich zurück, drückte mich mit Schwung vom Boden ab und zog mich auf Louis’ Rücken. Fast wäre ich wieder heruntergerutscht, doch ich bekam seine lange Mähne zu greifen und hielt mich daran fest, bis ich mich ins Gleichgewicht gebracht hatte.
    »Und jetzt du!«, rief ich Tillmann zu. Wie ein kleiner Teufel schoss er auf uns zu und sprang mit einem Satz nach oben.
    Tessa wirkte von Louis’ Rücken aus noch winziger. Doch das minderte ihre Bösartigkeit keineswegs. »Mach sie fertig«, raunte ich Louis zu. Doch Louis war nicht nach Kämpfen zumute. Sobald ich mir den Strick um die Hand gewickelt hatte, fiel er in einen wilden, ungleichmäßigen Galopp. Er raste dicht an Tessa vorbei und ich hörte, dass einer seiner Hufe sie traf. Doch sie grunzte nur.
    So ist das also, wenn ein Pferd mit einem durchgeht, dachte ich nach einer Weile und hielt mich verbissen an Louis’ Mähne fest.
    Den Strick hatte ich schon lange verloren. Zweige peitschten mir ins Gesicht, als Louis durch das Dickicht brach, und ab und zu geriet er ins Rutschen oder Stolpern, doch er konnte sich immer wieder

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