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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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dass zwei plus eins vier ergab. Die schwarze Lola trat dazu und tuschelte angeregt mit Nadine. Dann kicherte sie absichtlich laut. Jetzt gesellte sich auch Maike zu ihr.
    »Verpisst euch, und zwar schnell. Geht aus meinen Augen! Haut ab!« Oh. Ich konnte ja doch schreien. Kopfschüttelnd trat Oliver zu seinen Freunden und tippte sich an die Stirn. Ja klar, ich tickte nicht ganz richtig. Da sagte er mir nichts Neues. Maikes fragenden Augen wich ich aus. Tillmann und ich blieben stehen, ohne uns zu rühren, bis die Meute hinter uns sich endlich murrend auflöste. Die Sonne brannte auf unsere Rücken und der Gestank der offenen Müllton­nen wurde schier unerträglich.
    »Moment«, flüsterte Tillmann heiser und flitzte in Richtung Toi­letten. Ich vergewisserte mich, dass uns niemand mehr beobachtete, und folgte ihm. Doch er rannte am WC-Häuschen vorbei und schlüpfte durch eine Lücke im Zaun. In der Nische dahinter ließ er sich schwer atmend auf die Knie sinken. Die dicht bewachsenen Zweige einer Birke bildeten eine Art Dach, sodass ihn hier niemand sehen würde. Ich schlüpfte hinterher. Ohne mich zu beachten, kramte Tillmann eine kleine Spraydose aus der Hosentasche und hielt sic sich vor den Mund. Mit einem gezielten Griff öffnete ich den Reißverschluss seines blauen Seemannspullovers, vermied es aber, ihn dabei zu berühren. Seine Brust hob und senkte sich ange­strengt. Erst nachdem er zweimal inhaliert hatte, entspannte sich sein Körper langsam.
    »Asthma«, diagnostizierte ich sachlich. Er reckte sein Kinn nach vorn und schaute mich an. Seine Augen leuchteten wie zwei dunkle Scheinwerfer, doch er war sehr blass.
    »Wehe, du sagst es jemandem«, warnte er mich mit rauer Stimme.
    »Du bist früher auch da reingeschmissen worden, oder?«
    »Und du schreibst bestimmt nur Einsen«, entgegnete er kühl.
    Ich nickte knapp. »Meistens. Es sei denn, ich geb mir Mühe, eine Drei zu fabrizieren. Geht’s wieder? Willst du nicht besser zum Arzt gehen?«
    Tillmann winkte ab. »Was soll der schon tun? Und ich hab’s ja nicht oft. Nur wenn ich - na ja, wenn so etwas passiert wie eben. Dann. Es - es hat mich erinnert.«
    »Ich weiß«, erwiderte ich leise. Ihn hatte es erinnert. Und mich hatte dieser ganze Mist von eben um Jahre zurückgeworfen. Jetzt würde es noch schwerer werden. Tillmann stand auf und streckte sich.
    »Ich geh dann mal«, sagte er und drückte sich an mir vorbei, ohne mich auch nur zu streifen. Als ich aus der Nische hinter dem Zaun kroch, war fast niemand mehr im Hof. Zögernd ging ich auf die Turnhalle zu.
    »Ellie ... Mensch!« Maike stürzte mir entgegen. Anscheinend hat­te sie mich gesucht. »Warum machst du das? Warum mischst du dich ein? Wochenlang schaust du niemanden an und jetzt gehst du so in die Vollen. Was ist los mit dir?«
    »Hast du das nicht gemerkt?«, fragte ich entrüstet. »Er -« Nein. Tillmann wollte nicht, dass jemand von seinem Asthma erfuhr. »Er will doch nur nicht, dass Kinder in die Mülltonne geworfen wer­den.«
    »Oh, Ellie, das sind Jungsspiele. Jedes Jahr landet einer in der Ton­ne, das ist doch normal. Die wollen das sogar, das ist eine Art Sport unter den Fünftklässlern. Und der Kleine von vorhin hat’s erst recht verdient.«
    »Niemand hat das verdient«, entgegnete ich scharf.
    »Mag ja sein, aber du hast den Falschen verteidigt. Tillmann hat es faustdick hinter den Ohren. Der ist schon zweimal beinahe von der Schule geflogen, nur sein Vater konnte ihm den Hintern retten. Dass der vor Oliver einen auf gute Seele macht, ist der Witz des Ta­ges.«
    »Nein!«, rief ich und wunderte mich über meine eigene Beharr­lichkeit. Ich war auf dem besten Weg, meine einzige In-etwa-Freundin zu vergraulen. »Er hatte recht. Vielleicht tun das andere mit ei­nem Schulterzucken ab, wenn sie in den Müll geworfen werden, aber ...« Mir gingen die Argumente aus, und nicht nur das - ich hatte auch fast keinen Atem mehr. Maike schaute mich nachdenk­lich an.
    »Also, für mich war das ein Junge, der aus Jux in der Tonne ge­landet ist«, sagte sie achselzuckend. »Alle fanden es lustig. Dann mischt sich plötzlich Tillmann ein, holt den Kleinen raus und geht ohne Vorwarnung auf Oliver los ...«
    »Oliver hat ihn zuerst dumm angemacht«, widersprach ich.
    »Ellie, du warst doch gar nicht von Beginn an dabei.«
    »Du auch nicht.«
    Maike stöhnte und verdrehte in gespielter Verzweiflung die Au­gen.
    »Aber Nadine war es und sie hat’s mir erzählt. Außerdem ist Till­mann

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