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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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brach ein Stück Früchtebrot ab. »Ich hatte einen. Ist aber schon länger her.«
    »Es hat nicht funktioniert?«
    »Könnte man sagen.«
    »Möchtest du noch Kaffee?«
    »Danke, ich habe noch.«
    »Früchtebrot?«
    »Nein, danke. Wirklich nicht.«
    »Es ist leider nicht besonders frisch. Würde vermutlich mit Butter besser schmecken.«
    »Ist dir das auch schon mal passiert, dass du nicht Nein |354| sagen konntest?«, platzte es aus Helen heraus. »Zu jemandem, mit dem du eine Beziehung hattest? Obwohl du ganz fest dazu entschlossen warst?«
    »Meinst du   … sexuell?«
    »Ja, teilweise.« Helen lächelte. »Meistens.«
    Lorraine zögerte mit der Antwort. »Ein- oder zweimal, denke ich, als ich noch jünger war   …« Sie errötete bei der Erinnerung. »Ich war fünfzehn oder sechzehn und trieb mich mit Jungen rum, die viel älter waren.« Sie lachte. »Auf der Rückseite des Busbahnhofs. Aber das meinst du gar nicht, oder?«
    Automatisch griff Helen nach ihren Zigaretten, aber dann steckte sie die Schachtel wieder in die Tasche. Seit sie aus dem Krankenhaus entlassen worden war, hatte sie sich auf zwei, vielleicht drei pro Tag beschränkt. »Es gibt da einen Mann«, sagte sie. »Ich war immer wieder mit ihm zusammen, fast ein ganzes Jahr lang. Wir haben sogar eine Weile zusammengewohnt. Er war im Musikgeschäft. Ist er wahrscheinlich immer noch. Organisiert Konzerte und so weiter. Er hat auch ein paar Bands gemanagt. Ziemlich große Namen. Ich hatte ihn seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, und als ich im Krankenhaus war, tauchte er plötzlich auf. Mit Blumen und voller Mitgefühl. Ich hab das nicht auf die Reihe gekriegt – ich war völlig durch den Wind wegen der Schmerzmittel – und da habe ich etwas getan, was ich nicht hätte tun sollen. Ich habe Will nämlich gebeten, ihm zu sagen, dass er nicht wiederkommen soll.«
    »Das hat er gar nicht erzählt.«
    »Nein. Aber jedenfalls hat dieser Mann mir danach einen Brief geschickt. Andrew. So heißt er. Ich habe ihn zerrissen. Gar nicht erst gelesen. Und dann hat er angerufen. Sogar mehrmals, aber sobald ich merkte, dass er es war, habe ich aufgelegt. Jetzt mache ich mir Sorgen, dass er eines Abends |355| bei mir vorbeikommt. So ein Überraschungsbesuch, weißt du. Das hat er früher schon gemacht. Es klopft an der Tür, es ist schon ziemlich spät, und wenn ich aufmache, steht er da   …« Sie nahm eine Zigarette heraus, und dieses Mal zündete sie sie schnell an und inhalierte tief. »Es gibt ein Lied. Emmylou Harris. ›Lovin’ You Again‹ oder so. Da ist dieser Mann, mit dem sie mal zusammen war, der ruft sie nachts um zwei aus einer Telefonzelle an und sagt, er weiß nicht, wo er hinsoll. Als er dann bei ihr ankommt, zahlt sie das Taxi und sagt, okay, er kann auf dem Sofa oder dem Fußboden schlafen, ich weiß nicht mehr, aber noch, als sie’s sagt, weiß sie, dass es so nicht sein wird, verstehst du? Sobald er reinkommt und die Tür schließt, ist die Sache gelaufen, sie weiß, dass sie mit ihm schlafen wird, sie kann nicht anders, auch wenn er am nächsten Tag wieder weg ist.«
    »Und so ist es mit ihm auch?«, fragte Lorraine. »Mit diesem Mann? Andrew?«
    Helen wedelte den Rauch von ihrer Zigarette mit der Hand weg. »So war es. Eine Zeitlang. Er war auf dem Rückweg von irgendeinem Gig, es war drei oder vier Uhr morgens, und er rief an, aber meistens stand er unangekündigt vor meiner Tür, und wenn ich dann aufmachte, redete ich mir ein, dass er mir leid täte da draußen in der Kälte oder was auch immer, aber ich wusste, dass es eine Lüge war, ich wusste, dass ich ihn wollte. Manchmal rissen wir uns schon im Flur die Kleider vom Leib und vögelten auf dem Fußboden. Und wie in dem Scheißlied war er am nächsten Morgen wieder weg.«
    Sie warf einen Blick ins Zimmer. »Entschuldigung, ich sollte solche Ausdrücke nicht benutzen, wenn das Baby dabei ist.«
    »Ach, das macht nichts. Sie wird das alles nur allzu bald hören.«
    |356| Helen drückte ihre erst halb gerauchte Zigarette aus. »Das ist jedenfalls mein Problem.«
    »Und gibt es keine Möglichkeit, dass ihr – ich weiß nicht – die Sache irgendwie hinkriegt? Dass ihr eine richtige Beziehung habt?«
    »Wir sollen noch einmal von vorn anfangen?«
    »Ja.«
    Helen schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Ausgeschlossen.«
    Lorraine überlegte. »Wenn dir der Gedanke, dass er vorbeikommt, wirklich so viel Kopfzerbrechen macht«, sagte sie nachdenklich, »solltest du vielleicht

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