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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sind, in Pension zu gehen   …«, sagte der ehemalige Polizist.
    |351| »Ja?«
    »Dann sorgen Sie dafür, dass Sie eine bessere Beschäftigung haben als diese hier.«
     
    Wieder zu Hause, löste sich Helens Freude über ihre Entlassung aus dem Krankenhaus bald in Langeweile und stundenlanges Nachmittagsfernsehen auf. Sie fühlte sich einem Besuch bei ihren Kollegen an der Parkside noch nicht ganz gewachsen, und die wenigen Freunde, die sie außerhalb der Polizei hatte, arbeiteten von neun bis fünf oder länger. Solange sie hin und wieder ein Schmerzmittel nahm, konnte sie ohne Schwierigkeiten Spaziergänge machen, aber der nächstgelegene Park verlor bald seine Anziehungskraft. Am zweiten Tag sah sie sich eine triste Komödie an und verließ nach der Hälfte das Kino. Sie zögerte, Lorraine anzurufen, aber als sie es tat, sagte Lorraine ganz spontan: »Natürlich, ja, komm vorbei. Ich freue mich, dich zu sehen.«
    Jake war im Kindergarten, und Susie spielte zufrieden mit fünf knallbunten Bechern von unterschiedlicher Größe, die sie mit Genuss aneinander schlug. Gelegentlich – mehr Zufall denn Absicht – steckte sie einen davon in einen anderen.
    »So ist es wirklich nicht immer«, sagte Lorraine lächelnd. »Manchmal ist es wie der dritte Weltkrieg.«
    »Kann ich mir vorstellen.«
    Lorraine hatte die Glastür zur Seite geschoben, und sie saßen auf Klappstühlen auf der Terrasse, tranken Kaffee (»Richtigen, keinen löslichen. Wenn ich allein bin, mache ich mir nicht die Mühe, aber zu zweit ist das anders.«) und aßen dazu Früchtebrot.
    Der Himmel war trübe und unbelebt; nur vereinzelt zeigte sich ein Sonnenstrahl; von Wind konnte keine Rede sein, aber es gab eine leichte Brise. Am Feldrand waren zwei |352| Amseln eifrig damit beschäftigt, in die Hecke zu schlüpfen und wieder heraus. In der Ferne ragte die Kathedrale von Ely in die Höhe, als stammte sie aus einem Märchen, aus einer anderen Welt.
    »Ich hätte dich im Krankenhaus besuchen sollen«, sagte Lorraine. »Ich habe es mir immer wieder vorgenommen, aber irgendwie   …«
    »Unsinn. Du hast mehr als genug mit den Kindern und allem anderen zu tun. Und außerdem war Will oft genug für euch beide da. Wäre er noch öfter erschienen, hätten die Schwestern ihn für einen der Fachärzte gehalten.«
    Lorraine lachte. »Er hat sich Sorgen um dich gemacht.«
    »Ich weiß.«
    »Aber jetzt ist alles in Ordnung? Ich meine, du bist   …«
    »Mir geht es gut.«
    »Was ist mit der Arbeit? Wann kannst du wieder   …?«
    »Vermutlich in zwei Wochen, sagen sie. Leichte Aufgaben. Was immer das heißen soll.«
    »Hat sicher keinen Zweck, etwas zu überstürzen.«
    »Nein.«
    Eine Weile saßen sie nur da, tranken ihren Kaffee, genossen die Aussicht. Lorraine ging mit Susie ins Badezimmer und wechselte ihre Windel, dann setzte sie sie mit einem Bilderbuch aus Stoff und ein paar Kuscheltieren wieder auf den Teppich.
    »Sie ist ein echter Schatz«, sagte Helen.
    »Sie zieht eine Schau für dich ab. Wenn ich allein bin und versuche, etwas zu tun – staubsaugen oder kochen   –, will sie nur auf den Arm, und sobald ich sie absetze, fängt sie an zu weinen.«
    »Ich könnte das nicht«, sagte Helen. »Früher habe ich gedacht, ja, das wäre super. Aber jetzt   … ich hätte einfach nicht die Geduld, das weiß ich ganz genau.«
    |353| »Das habe ich auch immer gedacht. Wenn ich bei meinem Bruder war – sie haben zwei Jungen, achtzehn Monate auseinander – und gesehen habe, wie meine Schwägerin sich manchmal praktisch in Stücke gerissen hat. Nein, danke, das will ich nicht, nie im Leben. Aber dann   …« Sie lächelte. »Es ist anders, wenn es deine eigenen sind.«
    »Das ist sicher so. Aber mir macht diese Abhängigkeit Angst. Nicht so sehr, wenn sie Babys sind, das glaube ich nicht, obwohl sie dann natürlich am abhängigsten von einem sind. Aber später – morgen und der Tag danach und der Tag nach dem Tag danach. Immer weiter. Nicht nur Monate, sondern Jahre. Ich könnte das nicht, das weiß ich. Ich würde es nicht wollen.«
    Lorraine sah sie nachsichtig an. »Wart’s ab. Du wirst deine Meinung noch ändern.«
    Helen lächelte. »Das glaube ich nicht. Nicht mehr.«
    Sie verfielen in ein entspanntes Schweigen.
    »Hast du eigentlich einen Freund?«, fragte Lorraine.
    Helen lachte. »Du hast den Gedanken weitergesponnen.«
    »Entschuldigung, es geht mich nichts an.«
    »Nein, ist in Ordnung. Und die Antwort ist nein. Nein, ich habe keinen.« Helen

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