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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Ann’s oder Meadows die Angst umging, erschossen zu werden.
    Und dann war da die sechsundzwanzig Jahre alte Natalie Prince, geboren in Nottingham, ehemals Model und seit neuestem Schauspielerin. Zu Besuch in ihrer Geburtsstadt war sie in der Bar des Lace Market Hotels, in dem sie abgestiegen war, in den frühen Morgenstunden nach einer heftigen Auseinandersetzung verhaftet worden.
    Lesley trank Wasser, trank zu viel Kaffee, trank Cola, aß ein Sandwich an ihrem Schreibtisch, wobei sie gar nicht wahrnahm, wie es belegt war oder ob es sich um Graubrot oder Weißbrot handelte. Um zwanzig Minuten nach drei läutete das Telefon, und ohne die Augen vom Bildschirm zu nehmen, hob sie ab.
    »Hier ist jemand für Sie«, sagte die Singsang-Stimme der Empfangsdame.
    »Kann nicht. Habe zu tun.«
    »Scott Scarman?«
    »Scheiße!«
    »Soll ich die Botschaft weitergeben?« Lesley konnte sich das Grinsen auf dem Gesicht der Empfangsdame vorstellen.
    »Sagen Sie ihm   … sagen Sie ihm, ich komme in fünf Minuten mal raus. In zehn.«
    »Wird gemacht.«
    |74| Lesley knallte den Hörer auf. Was zum Teufel wollte er jetzt schon wieder?
    Scarman war ein erfolgreicher Zeitungsjournalist gewesen, als Lesley ihn kennengelernt hatte, einer der wenigen, die den Sprung von der Provinzzeitung zum Canary Wharf geschafft hatten. Sie war ihm begegnet, als sie ihr Diplom in Cardiff machte und Scarman einen Gastvortrag vor den Studenten hielt. Hinterher in der Bar hatte er sich in Szene gesetzt, hatte Charme versprüht und charmante Indiskretionen verbreitet. Als die Gruppe aufbrach, war es ihm irgendwie gelungen, Lesley nach ihrer Handynummer zu fragen. Das erste Mal hatten sie in einem Zimmer im ersten Stock des »Travelodge« am Kreisverkehr der A49 bei Shrewsbury miteinander geschlafen; hinterher war sich Scarman nicht zu schade gewesen, im angrenzenden »Little Chef« bei seinem englischen Frühstück süffisant zu grinsen, während der schicke Mietwagen draußen glänzte.
    Er hatte sie zum nächsten Bahnhof gefahren und war dann zum Fahrkartenschalter mitgekommen.
    »Wir sehen uns irgendwann.«
    Dann hatte er sie auf die Wange geküsst und ihr zwei Zwanzig-Pfund-Scheine in die Hand gedrückt.
    »Was soll denn das bedeuten?«, hatte Lesley gefragt.
    »Für die Fahrkarte«, hatte Scarman grinsend erwidert. »Was sonst?«
    »Verpiss dich!«, hatte sie gesagt und ihm das Geld hingehalten.
    »He!« Sein Grinsen war zu einem Lachen geworden. »Niemand will dir an die Wäsche gehen. Jedenfalls nicht gleich wieder.«
    Da hatte sie mit der Handfläche ihrer freien Hand ausgeholt und er hatte ihr Handgelenk ergriffen. Die Reisenden um sie herum hatten das Spektakel genossen.
    |75| »Beruhige dich, beruhige dich. Und nimm um Gottes willen das Geld. Ich habe gelesen, wie es ist, mit einem Stipendium über die Runden kommen zu müssen.«
    »Mistkerl.«
    »Das bin ich«, hatte Scarman gesagt und gezwinkert. »Bis zum nächsten Mal, in Ordnung?«
    »Nie im Leben!«
    Ein Jahr später war sie ihm in Derby in die Arme gelaufen, als beide die breite Fußgängerzone neben dem Rathaus durchquerten. Lesley hatte kurze Zeit zuvor ihre erste richtige Anstellung beim Lokalsender der BBC bekommen, und Scarman berichtete über einen Prozess, der bereits großes Aufsehen erregt hatte. Ein Landbesitzer aus Crich stand wegen böswilliger Körperverletzung vor Gericht, weil er einen jugendlichen Eindringling mit einer Schrotflinte angeschossen hatte. Dann hatte er ihn mit Ballendraht gefesselt und ins Stroh bluten lassen, bevor er einen Krankenwagen rief. Die Zeitung, für die Scarman damals arbeitete, hatte angeboten, alle Prozesskosten für den Mann zu übernehmen, und war bereit, eine landesweite Kampagne für seine Freilassung zu starten, sollte er zu mehr als gemeinnütziger Arbeit verurteilt werden.
My home is my castle
, lautet der Wahlspruch der Engländer, besonders der Leser des ›Daily Express‹, der ›Daily Mail‹.
    »Gehen wir essen?«, fragte Scarman.
    »Geh zum Teufel!«
    »Okay, aber erst zum Essen.«
    Gegen ihren Willen musste Lesley lachen.
    Im Restaurant hatte er sie damit überrascht, wie witzig und selbstironisch er über seine Arbeit sprach, während er ein offenbar echtes Interesse an der ihren zeigte. Er erkundigte sich, wie sie ihre Aussichten einschätzte, und hatte |76| vernünftige Ratschläge für ihre Karriere zu bieten. Nach dem Essen setzte er sie an dem Haus ab, das sie zusammen mit anderen in Chester Green bewohnte, und als sie sich

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