Splitterndes Glas - Kriminalroman
Täter um eine Person handelt, die Stephen selbst ins Haus gelassen hat. Was bedeuten könnte, dass es jemand war, den er bereits kannte, vielleicht gut kannte – oder es könnte jemand gewesen sein, den er gerade erst kennengelernt hatte.«
»Um Sex mit ihm zu haben, meinen Sie?«
»Möglich.«
»Nun, das deuten Sie jedenfalls an, oder nicht?«
Will drehte die Handflächen nach oben. »Es ist eine Möglichkeit, die wir in Betracht ziehen müssen. Das ist alles, was ich sagen will.«
|65| »Und was ist das Motiv? Wenn es kein Einbruch war?«
»Ich weiß es nicht. Wir wissen es nicht. Es sei denn …«
»Es sei denn, was?«
»Es sei denn, das Motiv für die Tat waren Vorurteile …«
»Und all das schwulenfeindliche Zeugs, in dem die Hälfte der Medien schwelgt, ist wahr. Die Homophobie triumphiert. Stephen ist ausgegangen und hat den Falschen angebaggert. So einfach ist das.«
Will seufzte und sagte nichts.
»Ist es das, was Sie glauben?«, fragte Lesley.
»Ich kann nur wiederholen: Ich weiß es nicht.«
»Sie haben aber sicher eine Meinung?«
»Na gut, ja, es ist eine Möglichkeit.«
»Das ist alles?«
»Es scheint plausibel.«
Lesley schüttelte langsam den Kopf.
»Sie glauben es nicht?«, sagte Will.
»Nein.«
»Sie glauben es wirklich nicht oder Sie wollen es nicht glauben?«
»Wenn Sie mich fragen, ob mir der Gedanke gefällt, dass mein Bruder gewohnheitsmäßig losgezogen ist und schnellen Sex gesucht hat und dass ihn das umgebracht hat, dann ist die Antwort Nein. Das gefällt mir nicht. Aber ob er jemals Männer auf diese Weise und aus diesem Grund aufgegabelt hat, weiß ich einfach nicht. Über so etwas hätte er nicht gesprochen. Nicht mit mir. Wir standen uns zwar als Geschwister nahe, haben aber die Einzelheiten unseres jeweiligen Liebeslebens nicht miteinander erörtert.«
Unvermittelt öffnete sich die Tür; Helen sah herein und stellte erst jetzt fest, dass Will Besuch hatte; sie entschuldigte sich hastig, verschwand und schloss die Tür hinter sich.
|66| Will zögerte. »Kennen Sie Mark McKusick?«
»Mark? Ja, natürlich. Warum fragen Sie?«
»Er und Ihr Bruder haben sich vor kurzem getrennt, soweit ich weiß.«
»Etwa vor einem Monat. Nicht lange, nachdem ich aus Neuseeland zurückgekehrt bin.«
»Und sie waren lange zusammen gewesen.«
»Fast drei Jahre.«
»Das muss Mark doch schwer getroffen haben? Als es zu Ende war.«
»Ich vermute … Nein, warten Sie. Warten Sie. Sie glauben doch nicht, dass Mark …?« Lesley sah ihn ungläubig an. »Haben Sie ihn kennengelernt? Mit ihm gesprochen?«
»Ja.«
»Er hat Stephen geliebt. Wirklich geliebt.« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Das musste er auch, so wie ihn Stephen manchmal behandelt hat.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ach, er hat ihn auf Abstand gehalten. Hat nicht erlaubt, dass Mark bei ihm einzieht, selbst nachdem sie Ewigkeiten zusammen waren und Mark das offensichtlich wollte. Es war ja nicht so, als hätte Stephen keinen Platz gehabt; sein Haus in Leicester war groß genug, dass er an Studenten untervermieten konnte, an drei oder vier, um die finanzielle Belastung zu verringern. Aber soweit ich das beurteilen kann, konnte Mark sich glücklich schätzen, wenn er länger als zwei Nächte hintereinander bleiben durfte. Mehr war nicht drin. Und selbst dann hat sich Stephen, glaube ich, beschwert.«
»Worüber?«
»Ach, dass er sich nicht konzentrieren konnte, wissen Sie, dass er mit seiner Arbeit nicht weiterkam. Es hat mich erstaunt, dass Mark das so lange mitgemacht hat.«
|67| Vielleicht hat er das gar nicht, dachte Will.
»Als Stephen dann nach Cambridge gezogen ist«, sagte Lesley, »und Mark seinen Job aufgegeben hat, um mit ihm zu gehen, dachte er vermutlich, die Dinge würden sich ändern. Als das nicht passierte, hat er Stephen ein Ultimatum gestellt. Und das war der Punkt, an dem Stephen Schluss gemacht hat.«
»Das hat er Ihnen erzählt?«
»Stephen? Ja.«
»Und was war mit Mark? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es einfach so hingenommen hat.«
»Was sollte er denn machen? Ich vermute, er war bestürzt und sauer. Natürlich. Das wäre jeder. Aber er war sehr lange mit Stephen zusammen gewesen, und er hat bestimmt nicht resigniert. So wie ich ihn kenne, halte ich es für wahrscheinlich, dass er abgewartet und gehofft hat, Stephen würde seine Meinung ändern.«
»Und glauben Sie, das wäre geschehen?«
»Möglich. Sie hat Stephen irgendwie gepasst, diese Beziehung, egal,
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