Splitterndes Glas - Kriminalroman
verbessern und aufzusteigen. Aber das hielt sie nicht davon ab, die Möglichkeiten durchzuspielen. Vielleicht war es an der Zeit, ihr Glück in London zu versuchen?
Meistens jedoch dachte sie an Stephen. Seine Begeisterung am Telefon, als er sie in Neuseeland angerufen hatte, um ihr von seiner Berufung als Vollzeitdozent zu erzählen; der Enthusiasmus, mit dem er in seinen E-Mails und Briefen – Lesley hatte manchmal den Eindruck, sie und Stephen gehörten zu den letzten Menschen, die noch richtige Briefe schrieben – über sein neues Projekt gesprochen hatte. Er hatte nämlich damals mit der Arbeit an einer Biografie über Stella Leonard begonnen, einen britischen |71| Filmstar, der seine Glanzzeit in den 1950er-Jahren gehabt hatte.
Und dann die letzte Begegnung mit ihm. Wann war das gewesen? Gute drei Wochen, bevor er gestorben war. Sie hielt inne und atmete durch, legte sich die Hand an die Brust, glaubte, weinen zu müssen.
Sie hatten sich in Ely getroffen. Mittagessen in der alten Feuerwache. Gute traditionelle Gerichte, gute Zutaten, gut zubereitet, und das einzige Restaurant, das Lesley kannte, wo jemand kam und Nachschlag vom Hauptgang anbot. Noch etwas Schweinelende, Madam? Sir, noch eine Portion Steak-and-Kidney-Pie?
Sie hatte Stephen gefragt, wie er sich nach der Trennung von Mark fühlte, und er hatte ihr versichert, es gehe ihm gut.
»Du bereust es also nicht?«
Grinsend hatte Stephen die benachbarten Tische mit ein paar passenden Zeilen aus ›My Way‹ beglückt.
»Mal im Ernst, geht es dir gut?«
»Im Ernst, alles in Ordnung.«
»Und Mark?«, hatte Lesley gefragt.
»Der fühlt sich wahrscheinlich hundeelend. Aber was kann ich machen? Wenn ich anrufe und frage, wie es ihm geht, und dabei mitfühlende Geräusche von mir gebe, macht das die Sache nur noch schlimmer.«
»Die Liebe ist hart.«
»Könnte man sagen.«
Ich sollte mich mit Mark in Verbindung setzen, dachte Lesley jetzt; das wäre richtig.
Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es auf neun zuging. Karl Cooper würde sich bald verabschieden und John Holmes mit der ›Morning Show‹ beginnen. Zeit, sich zurechtzumachen, fertig anzuziehen und loszugehen. |72| Am Commerce Square würde sie die Abkürzung über die Long Stairs nehmen, und unten an der Canal Street und am Kreisverkehr an der London Road rauskommen. Höchstens zehn Minuten, weniger, wenn sie sich beeilte.
Was die Nachrichten betraf, erwies sich der Tag als ereignisreich. Am Vormittag kam die Bestätigung, dass ein zweiundzwanzigjähriger Mann aus Nottingham, der bei den Sherwood Foresters gedient hatte, im Irak getötet worden war. Eine Straßenbombe war explodiert, als ein Fahrzeug mit fünf Soldaten vorbeigefahren war. Ein Toter, drei Schwerverwundete, der fünfte Mann war von der Druckwelle weggeschleudert worden und hatte nur kleinere Kratzer und Abschürfungen davongetragen. Die Reaktion der Eltern war tränenreich, wütend, es fiel schwer, den Ausschnitten zuzuhören. »Die armen Schweine«, sagte Alan Pike, der Nachrichtenredakteur. »Aber großartiges Radio.«
Der vorsitzende Richter bei dem Prozess gegen drei junge Männer, die des unbefugten Betretens mit einer Waffe, des schweren Raubes und der schweren Körperverletzung beschuldigt wurden, hatte sein Resümee beendet, und die Jury hatte sich zurückgezogen, um ihr Urteil zu finden. Verwandte des Ladenbesitzers, der bei dem Überfall schwer verletzt worden war, hielten täglich Mahnwachen vor dem Gericht ab. Für eine Petition, die eine verbindliche lebenslange Haft für jeden forderte, der beim Begehen einer Straftat eine Waffe trug, waren mehr als fünftausend Unterschriften gesammelt worden.
Die Polizei von Nottinghamshire hatte einen deutlichen Anstieg von Einbrüchen in Gartenschuppen und Garagen in den Vororten südlich des Trent verzeichnet und durch den Polizeikommandeur für Nord-Rushcliffe einen Appell an die Bewohner gerichtet, wachsam zu sein und die Sicherheit |73| zu erhöhen. Der Kommandeur würde am Abend in der Sendung zur Hauptverkehrszeit einfache Präventivmaßnahmen erläutern, mit denen Hausbesitzer ihr Eigentum sichern konnten, wie zum Beispiel das Anbringen von Metallgittern an Schuppenfenstern und das Ersetzen von Schrauben an frei zugänglichen Angeln durch Flachrundschrauben beziehungsweise Schlossschrauben.
Das sagt doch alles, dachte Lesley. Im angenehmen mittelständischen Rushcliffe galt die größte Sorge dem Verlust des elektrischen Rasenmähers, während in St
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