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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Vielleicht etwas einkaufen. |88| Mir den neuen Paul-Smith-Shop ansehen. In einem georgianischen Stadthaus oder so?«
    »Also, viel Spaß«, sagte Lesley. »Aber pass auf, dass du keine zweite Hypothek aufnehmen musst. Und Mark   …«
    »Ja.«
    »Melde dich bei mir.«
    »Natürlich.«
    Sie warteten, als eine Straßenbahn gemessen an ihnen vorbei- und zur Haltestelle hinunterfuhr, dann überquerten sie die Straße, sagten sich auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig noch einmal auf Wiedersehen und machten sich in unterschiedliche Richtungen auf.
     
    Das Konzert war gerade zu Ende, als Helen ankam, und sie musste sich ihren Weg durch ziemlich viele Menschen bahnen, die in gemächlichem Tempo aufbrachen; manche dagegen blieben noch in Dreier- oder Vierergruppen stehen und sprachen über das, was sie gehört hatten.
    Einige Helfer standen an der Seite und nahmen Spenden in Empfang, während andere damit begannen, die Klappstühle fortzuräumen. Helen fragte nach Saal fünf und wurde durch einen kleinen quadratischen Raum in einen Ausstellungssaal geschickt, der weitgehend frei von Besuchern war. Unmittelbar zu ihrer Rechten stand ein Mann mit dem Rücken zu ihr und betrachtete die Gemälde an der Wand vor ihm.
    »Mr Rouse?«
    »Jack.« Er drehte sich schnell um und streckte die Hand aus.
    Er war ein Schwarzer mit recht heller Haut, elegant in einem Kamelhaarmantel, dunklen weiten Hosen und braunen Lederschuhen. Seine Hand, dachte Helen, ist so weich wie seine Stimme am Telefon.
    |89| »Wie war das Konzert?«, fragte sie.
    »Ach, ziemlich gut, wissen Sie. Etwas Händel. Ein oder zwei Stücke von Lord Fitzwilliam persönlich. Wirklich gut, einen Vorwand zu haben, fast eine ganze Stunde einfach dazusitzen und nichts zu tun. Und ich freue mich immer, wenn ich mir die hier noch einmal ansehen kann.«
    In der Ecke hingen in unterschiedlicher Höhe mehrere Gemälde: Porträts, Interieurs, Stillleben. Das Bild direkt vor Helen zeigte eine sitzende Frau, die ihre Hände im Schoß zusammengelegt hatte und unbestimmt in den Raum sah. Sie trug ein schweres blaugraues Kleid, das vor dem Hintergrund nicht leicht auszumachen war, denn dieser war von einem nicht unähnlichen schlammigen Blau und mit grauen Blumen gefleckt. Gleich zur Linken der Frau stand eine blau-weiße Tasse auf einem Tischtuch, das wie ein großer gelber Fleck wirkte, und hinter ihr, in der Ecke gegenüber, öffnete sich eine Tür in einen Raum, der wie das Badezimmer aussah.
    »Großartig, nicht wahr?«, sagte Rouse.
    Helen betrachtete die Frau, deren Gesichtszüge kaum zu erkennen waren. Wer immer der Künstler war, der sie porträtiert hatte, er konnte offenbar keine Gesichter malen.
    »Wenn Sie es lange genug ansehen, erscheint das ganze Leben der Frau vor ihnen. Es ist wie eine Geschichte. Eine wirklich gute Kurzgeschichte. Von jemandem wie Alice Munro.«
    Helen tat es leid, aber sie verstand es einfach nicht.
    Edouard Vuillard. Sitzende Frau: Kaffeetasse. 1893.
    An den Füßen schien die Frau Turnschuhe zu tragen, aber Helen wusste, dass das nicht sein konnte.
    »Sie wollten über Stephen sprechen«, sagte Rouse.
    »Ja, wenn das möglich ist.«
    »Nun, Sie müssen wissen, dass wir gemeinsame Freunde |90| hatten und dass ich ihm bei verschiedenen Gelegenheiten ein paarmal begegnet bin, bevor er hier an der Universität anfing. Aber sobald er hier war, haben wir uns ziemlich oft gesehen.«
    »Waren Sie im selben Fachbereich?«
    »Nein, ganz und gar nicht. Philosophie, das ist mein Fach. Aber ich gebe einen Kurs über moderne Ästhetik, und das ist ein Gebiet, an dem Stephen sehr interessiert war. Im Allgemeinen waren unsere Treffen eher geselliger Natur. Wir gingen zusammen in die Cafeteria, liefen uns in der Stadt in die Arme und trafen uns von Zeit zu Zeit bei Freunden zum Abendessen.«
    »Sie mochten ihn?«
    »Was gab es an ihm nicht zu mögen? Er war intelligent und kontaktfreudig – nicht wie andere Filmwissenschaftler, die den größten Teil ihrer Zeit im Dunkeln verbringen und ihren gesamten Lebensinhalt in einer alten Tragetüte zwischen den Füßen stehen haben.«
    »Und sein Partner, Mark? Kennen Sie ihn auch?«
    Rouse nickte. »Ich habe ihn ein paarmal getroffen. In Stephens Haus beim Abendessen und vielleicht bei ein oder zwei anderen Gelegenheiten. Ich kann nicht behaupten, dass ich ihn gut kenne.«
    »Aber gut genug, um einen Eindruck von den beiden als Paar zu haben?«
    Rouse lächelte. »Ich erzähle Ihnen eine Geschichte. Mein Großvater

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