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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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meine ich   … neulich   …«
    »Ja.«
    »Der Polizeibeamte   …«
    »Irving.«
    |85| »Ja. Er hatte mich natürlich gewarnt. Uns alle drei, Mum, Dad und mich. Aber das war   … ich war   …« Lesley verstummte und schnappte nach Luft. »Ich war einfach nicht darauf vorbereitet.«
    »Nein.«
    »Wenn ich nicht gewusst hätte   … Er war nicht zu erkennen. Am Anfang.«
    »Ich weiß.«
    »Sein armes Gesicht   … Wer ihm das angetan hat   …«
    »Der ist krank«, sagte McKusick. »Wer immer es war. Ich weiß, es ist ein Klischee, aber es stimmt. Es muss so sein. Krank. Echt krank.«
    Lesley wandte ihr Gesicht ab. »Glaubst du, es hatte etwas mit der Tatsache zu tun, dass er schwul war?«
    McKusick seufzte. »Vielleicht.«
    »Das scheint die Polizei jedenfalls zu denken.«
    McKusick nickte. »Wenn sie nicht denken, dass ich es war.«
    Lesley schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Du weißt schon, verschmähte Liebe, die Hölle selbst kennt keine solche Wut   … so was in der Art.«
    »Mark, das ist absurd.«
    »Etwas zu offensichtlich vielleicht. Aber bequem. Für sie, meine ich. Nicht für mich.« Er versuchte zu lächeln, was nicht ganz gelang.
    Lesley machte mit dem Löffel Muster in dem Schaum auf ihrem Kaffee. »Bei mir hat die Polizei angedeutet, dass Stephen losgezogen sei und den falschen Mann aufgegabelt habe.«
    »Ich weiß.«
    »Aber wie wahrscheinlich ist das? Ich meine, du hast Stephen viel besser gekannt als ich. Zumindest diesen Aspekt seines Lebens. Ich weiß einfach nicht, ob Stephen   … ob er |86| so etwas überhaupt getan hätte. Eine Zufallsbekanntschaft mit nach Hause zu nehmen.«
    McKusick betrachtete versonnen seinen Kaffee. »Schwer zu sagen. Die ganze schwule Szene, er hat sie eigentlich gehasst – ich kann mir nicht vorstellen, dass er aktiv auf die Suche gegangen ist   –, aber wenn er jemanden kennengelernt hat, der ihn anmachte, dann ja, vermute ich. Warum auch nicht? Er war schließlich nicht gebunden.«
    »Aber das ist doch ein Risiko.«
    »Es gibt immer ein Risiko. Egal, ob schwul oder hetero.«
    Lesley nickte, sie wusste, dass er recht hatte. »Hast du Stephen vor seinem Tod gesehen?«, fragte sie. »In letzter Zeit, meine ich.«
    »Nicht, seit wir uns getrennt haben.«
    »Das tut mir leid.«
    »Na ja, das stimmt nicht ganz. Ich habe ihn nämlich gesehen. Nur einmal. Ich überquerte gerade die Trinity Street, und da war Stephen mit irgendeinem dicken Wälzer unter dem Arm.«
    »Aber er hat dich nicht gesehen?«
    »Nein.«
    »Wie wirkte er?«
    »Ach, du kennst ja Stephen. Ein bisschen abwesend. Mit irgendwas beschäftigt.«
    »Mit seinen Kursen, meinst du?«
    »Damit und mit dem Buch, an dem er gearbeitet hat.«
    »Die Sache mit Stella Leonard?«
    »Ja. Er hat sich da ziemlich hineingesteigert, fand ich.«
    »Ich erinnere mich, dass er mir davon geschrieben hat, als ich in Wellington war. Das muss gewesen sein, als er mit seinen Recherchen anfing. Für ihn war das offensichtlich eine große Sache, aber ich hatte noch nie von ihr gehört.«
    |87| »Sie hat eine Zeitlang in einer Serie mitgespielt, in den Achtzigern. Den frühen Achtzigern. Von daher hatte ich eine verschwommene Vorstellung von ihr, aber mehr auch nicht.«
    »Aber was hat Stephen so an ihr interessiert, weißt du das?«
    McKusick lächelte. »Das hat er mir bestimmt ausführlich erklärt, aber du weißt ja, wie es ist, wenn sich jemand über eine Person auslässt, von der du keinen blassen Schimmer hast. Das geht zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus.«
    »Ich würde gerne lesen, was er schon geschrieben hatte.«
    »Soweit ich weiß, hat die Polizei all seine Aufzeichnungen. Sie haben sie in Kisten gepackt und weggeschafft. So gut wie alles. Was am Ende damit passiert, weiß ich nicht. Sie geben es vermutlich deinen Eltern. Oder dir.«
    »Ich setze mich mit dem Beamten in Verbindung, der für den Fall zuständig ist.«
    »Grayson?«
    Lesley nickte.
    »Hast du ihn kennengelernt?«
    »Ja, neulich.«
    »Ganz netter Typ für einen Polizisten.« McKusick überraschte sie mit einem Grinsen. »Aber leider kein bisschen schwul.«
    Lesley lachte. Als die Kellnerin kam und fragte, ob sie noch einen Kaffee wünschten, lehnten beide ab. Draußen schien die Luft noch etwas kälter geworden zu sein, der Himmel bedeckter. Vielleicht stand ihnen weiterer Schnee bevor.
    »Fährst du sofort zurück?«, fragte Lesley.
    McKusick schüttelte den Kopf. »Ich will mich ein bisschen umsehen, wo ich schon hier bin.

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