Splitterndes Glas - Kriminalroman
nach Hause nimmst und vögelst, und jetzt willst du nicht mal das tun‹ – eines der deftigsten Beispiele. Stephen erwiderte, er solle nicht so dumm sein, er benehme sich wie ein ungezogenes Kind, und natürlich machte das alles noch schlimmer.«
»Die beiden wussten nicht, dass Sie zuhörten?«
»An diesem Punkt noch nicht. Stephen sagte etwas, das ich nicht verstehen konnte, drehte sich um und ging weg. Mark rannte hinter ihm her. Er packte Stephen und versuchte, ihn zurückzuziehen. Ich weiß nicht, vielleicht holte Stephen mit dem Arm aus, aber jedenfalls versuchte er, Mark abzuschütteln. Und da hat Mark ihn geschlagen.«
»Er hat ihn geschlagen?«
»Er legte beide Hände zusammen und ließ sie auf Stephens Nacken niedersausen. Stephen taumelte und verlor fast den Halt, und dann schlug Mark ihn noch einmal. |94| Gleich darauf lag Stephen irgendwie gekrümmt auf dem Rücken, und Mark beugte sich hinunter, schlug auf ihn ein und schrie: ›Wenn du das noch einmal machst, bring ich dich um!‹«
»Was geschah dann?«
»Ich hustete und machte eine lahme Bemerkung wie ›Verzeihung, ist alles in Ordnung?‹, und das wirkte wie ein Eimer Eiswasser. Mark hörte auf und ging ein paar Schritte zur Seite, Stephen kam auf die Füße, klopfte sich ab und sagte etwas wie ›Nur ein kleiner Familienkrach‹. Er versuchte, das Ganze mit einem Scherz abzutun. Aber ich sah, dass er eine unschöne Wunde über dem Auge hatte, vielleicht auch noch andere Verletzungen. Ich bot an, ihm ins Haus zu helfen, um ihn zu verarzten, aber er zuckte die Achseln und sagte, es sei nicht so schlimm, und das war es auch schon. Stephen versicherte mir, dass sie sicher nach Hause kommen würden und alles in Ordnung sei. Als ich ihn das nächste Mal sah, hat er die Sache nicht erwähnt und ich auch nicht.«
»Und Sie wissen nicht«, sagte Helen, »ob dieser Vorfall eine einmalige Sache oder eine unschöne Gewohnheit war?«
»Ich habe leider keine Ahnung.«
»Und es gab keine anderen Zeugen dafür?«
Rouse schüttelte den Kopf. »Vielleicht konnte man den Streit im Haus hören, das Ende der Auffahrt ist allerdings ziemlich weit weg.«
»Gibt es noch etwas anderes, das Sie mir erzählen können«, sagte Helen, »etwas, das wichtig sein könnte?«
»Wichtig, nein. Aber kommen Sie irgendwann her und sehen sich die Vuillards noch einmal an. Er ist ein großartiger Maler. Sie sollten ihm eine zweite Chance geben.«
|95| Durch die Scheibe von Wills Bürofenster sahen die Scheinwerfer der Autos, die über Gonville Place zur Newmarket Road krochen, wie langsam blinkende gelbe Lichtpunkte aus. Mit der einbrechenden Dämmerung hatte es angefangen zu schneien.
»Dieser Rouse«, sagte Will, »war überhaupt nicht auf der Liste, die McKusick uns gegeben hat?«
»Nee.«
»Glaubst du, er hat ihn einfach vergessen?«
»Eine selektive Amnesie vielleicht?«, sagte Helen.
»Er wusste, wenn Rouse diese Geschichte erzählt …«
»Würden wir ihn in einem anderen Licht sehen.«
»Eine andere Facette seines Charakters kennenlernen.«
»Eine, die er erfolgreich verborgen hat.«
»Eine Neigung zu Wutausbrüchen.«
»Wenn er provoziert wird.«
»Der Wurm, der sich krümmt, wenn er getreten wird«, sagte Will.
»Etwas in der Art.«
»Was hat er Rouse zufolge gesagt?«
»›Mach das noch mal und ich bring dich um.‹«
Die Worte riefen in Will ein unangenehmes Echo hervor. »Und ›Mach das noch mal‹«, sagte er, »soll was heißen?«
Helen zuckte die Achseln. »Sich abkehren? Weggehen?« »Genau das hat Bryan getan.«
»Ein einvernehmlicher Beschluss, sich eine Weile nicht zu sehen, so hat McKusick es beschrieben. Eine Art Trennung auf Probe.«
»Glauben wir das?«
»Eher nicht.«
»Also, wann werden wir wieder mit McKusick sprechen?«
»Gleich morgen früh?«
|96| »Wir bringen ihn hierher«, sagte Will, »und lassen ihn eine Weile rumsitzen. Lassen ihn schmoren. Setzen ihm ein wenig zu. Mal sehen, ob wir nicht etwas vom Baum schütteln können.«
8
Lesley überquerte die Fletcher Gate und stieß auf eine Phalanx aus hohen Bauzäunen, hinter denen zweifellos ein weiteres Hotel oder eine aufregende Verkaufslandschaft mit gemischter Nutzung entstand. Sie kürzte über die Bottle Lane ab und betrat die Buchhandlung Waterstones.
Bücher über Filme waren im dritten Stock.
Schnell blätterte sie die drei vorrätigen Bände zur Geschichte des britischen Films durch, fand aber nur zwei Verweise auf Stella Leonard, beide kurz. In
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