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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Will. »Völlig durchgedreht. Wäre Jack Rouse nicht dort gewesen, hätten Sie ihn vielleicht erschlagen.«
    »Nein!« McKusicks Stimme erhob sich zu einem Schrei. Sein Gesicht, vorher gerötet, war leichenblass, und die Lippen spannten sich blutlos und schmal über den Zähnen.
    »Ist das letzte Woche auch passiert?«, fragte Helen. »Als Sie Stephen besucht haben? Sie haben die Beherrschung verloren? Ist es so gewesen?«
    McKusick sackte über dem Tisch zusammen, legte den Kopf in die Hände und begann zu schluchzen. Schnelle, kurze Schluchzer, die seinen Körper schüttelten.
    Will und Helen sahen sich fragend an. Beide dachten daran, was Helen über McKusicks Schauspielerei gesagt hatte, beide fragten sich, ob er ihnen jetzt auch etwas vormachte.
    Nach mehreren Minuten, in denen das Schluchzen weniger heftig wurde, aber nicht aufhörte, streckte Helen die Hand aus und schüttelte sanft McKusicks Oberarm.
    »Mark, kommen Sie. Hören Sie damit auf.«
    Langsam hob McKusick den Kopf, nahm ein Papiertuch aus der Tasche und wischte sich damit über die Augen.
    »Bevor ich noch etwas sage«, sagte er mit vollkommen ruhiger Stimme, »möchte ich einen Anwalt.«
     
    |103| Will und Helen standen draußen auf der Ecke von Parker’s Piece, der Grünfläche gegenüber ihrer Dienststelle. Will hatte seinen North-Face-Anorak zugeknöpft, aber den Reißverschluss nicht zugezogen; Helens Mantelkragen war hochgeschlagen und ein Schal locker um ihren Hals gebunden. Kein Schnee heute, sondern Regen, der leise fiel. Helens Haarspitzen waren dunkel, fast schwarz davon.
    Sie zündete sich eine Zigarette am Stummel der vorigen an.
    »Was ist das?«, fragte Will. »Todessehnsucht?«
    »Wärst du traurig?«
    »Liest du denn nie die Warnung auf der Packung?«, fragte er.
    Helen blies den Rauch seitlich aus dem Mund. »Ist nicht gut, wenn man alles glaubt, was man liest«, sagte sie. »Besonders auf Verpackungen. Hab ich gelernt. Viertes Jahr Sozialkunde.«
    »Davon abgesehen«, sagte Will, »muss dein Mund schmecken wie ein Aschenbecher.«
    Helen lächelte. »Das braucht dich ja nicht zu bekümmern.«
    »Weißt du, wie nahe wir dran waren?«, sagte Will. »Da drinnen?«
    Helen streckte die linke Hand aus, wobei sich Zeigefinger und Daumen nicht ganz berührten. »So nahe?«
    »So nahe.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt warten wir.«
    »Weißt du, auf wen?«
    »Christine Costello, keine Geringere.«
    Helen zog heftig an ihrer Zigarette. »Warum sie?«
    »Weil der gütige Gott es uns nicht einfach machen wollte?«
    |104| Helen zog eine Augenbraue hoch. »Lorraine muss aufpassen. Als Nächstes schickst du Jake in die Sonntagsschule. Meldest ihn zum Firmunterricht an.«
    »Ich glaube, er müsste zuerst getauft werden. Und außerdem, Firmung? Das klingt mehr nach deiner Religion als nach meiner.«
    Helen schüttelte den Kopf. »Ich wurde an dem Tag Agnostikerin, an dem der Priester wollte, dass ich nach der Messe auf seinem Schoß sitze.«
    »Das war freundlich gemeint. Kirche zum Anfassen.«
    »Ganz und gar nicht. Ich sollte nämlich etwas ganz anderes anfassen.«
    Will lachte und schüttelte den Kopf. »Du bist schrecklich.«
    »Ich weiß. Sollen wir wieder reingehen?«
     
    Christine Costello trug eine modisch abgewetzte schwarze Lederjacke, ein schwarzes Kleid aus irgendeinem glänzenden Material und hochhackige schwarze Stiefel. Jeder, der es nicht besser wusste, hätte angenommen, dass sie eine Harley Davidson auf dem Parkplatz stehen hatte und keinen fast neuen BMW.
    »Will«, sagte sie und streckte ihm die Hand entgegen. »Schön, Sie wiederzusehen.«
    »Ich wünschte, ich könnte dasselbe sagen.«
    »Immer noch derselbe Spaßvogel, was, Helen?«, sagte die Anwältin. »Immer muss er seine Scherze machen.«
    Helen sagte nichts. Botox, dachte sie, leistete relativ gute Arbeit, um Christine Costellos Falten in Schach zu halten, ein paar Hundert Pfund pro Jahr, die ziemlich gut angelegt waren. Kann sie das vielleicht als Werbungskosten von der Steuer absetzen?, fragte sich Helen. Aber vielleicht durften das nur Prozessanwälte.
    |105| »Wenn man sich anhört, was mein Mandant zu sagen hat«, sagte Costello, »könnte man die Behandlung, die ihm zuteilwurde, fast als Schikane betrachten.«
    »Eigentlich nicht«, sagte Will. »Wir haben ihn doch nur in einen verdunkelten Raum gesperrt. Ihm ein paarmal mit dem Telefonbuch auf den Kopf geschlagen. So die üblichen Sachen.«
    »Verstehen Sie, was ich meine?«, sagte die Anwältin zu Helen. »Er

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