Splitterndes Glas - Kriminalroman
in Soapoperas; acht Wochen lang war sie eine feste Figur in der ›Coronation Street‹, bis eine heftige Auseinandersetzung mit einem der Hauptdarsteller ihr zweckmäßiges Ableben notwendig machte, sodass sie von einem Balkon im zwölften Stock auf den Asphalt stürzte.
Eine allzu öffentliche Affäre mit dem Leadsänger einer Alt-Country-Band namens Sow’s Ear endete, als Natalie auf der Bühne vor mehreren Hundert verschwitzten Fans auf ihn einschlug. Natalie wurde über Nacht von der Polizei festgehalten und mit einer Verwarnung und Bildern auf den ersten Seiten der Massenblätter entlassen.
Das war der Punkt, an dem Orlando Rocca Kontakt mit ihr aufnahm und ihr die Hauptrolle in ›Black Bullet‹ anbot, einem britisch-portugiesisch-rumänischem Thriller, der in Programmkinos gezeigt wurde und es den Kritikern antat. Das führte zu ›Electric‹, wo Rocca ihr die Rolle einer kleinen |113| Drogendealerin und alleinerziehenden Mutter gab, die in Ostlondon lebt und Schulden bei albanischen Gangstern hat. Diese Rolle brachte ihr beim Sundance Filmfestival den Preis als beste Darstellerin und eine Reihe weiterer Nominierungen ein.
Und jetzt würde sie keiner geringeren Autorität als der ›Nottingham Evening Post‹ zufolge in einem Wiederaufguss von ›Splitterndes Glas‹ die Hauptrolle spielen, einem Film, den nur sehr wenige Leute vom Hörensagen kannten, geschweige denn, gesehen hatten.
All das entnahm Lesley verschiedenen Meldungen und Artikeln im Netz, dazu kam eine Auswahl von Interviews aus dem Archiv der BBC. Am Mikrofon klang Natalie bei bestimmten Gelegenheiten älter als ihre sechsundzwanzig Jahre, wenn auch nicht unbedingt weiser, bei anderen wirkte sie linkisch und verschreckt; wenn der Reporter ihr Vertrauen gewann und sie sich entspannte, kam ganz deutlich der typische Dialekt von Nottingham durch und Lesley stellte fest, dass sie sich fast für sie erwärmte.
Jetzt galt es, selbst mit ihr zu sprechen.
Der Artikel in der ›Post‹ trug den Namen von Mel Mast.
»Mel? Hallo, hier Lesley vom BBC Radio Nottingham … Ja, danke, gut … Hör mal, Mel, wie in aller Welt hast du es geschafft, dich mit Natalie Prince zusammenzusetzen? Als wir um ein Interview gebeten haben, hieß es, sie stehe nur für die Überregionalen zur Verfügung, und das war’s. Keine Ausnahmen.«
»Sagen wir mal, man schuldete mir noch etwas«, sagte Mast, und Lesley konnte sich das Lächeln, das über ihr Gesicht huschte, sehr gut vorstellen. »Aber trotzdem war es nicht leicht. Ihre P R-Leute haben darauf bestanden, den fertigen Artikel zu sehen und die Fotos abzusegnen. Das |114| ganze Programm. Die haben sich aufgespielt, als wäre sie Madonna.«
»Du bist also über die P R-Firma an sie rangekommen?«,
»Wie sonst?«
Lesley startete einen Versuchsballon. »Kümmert sich Scott immer noch um sie?«
»Ja.« Mel lachte. »Vielleicht schuldet er dir ja auch noch was.«
Lesley dankte ihr und legte auf. Das erklärte natürlich, was ihr fein gemachter Ex neulich in der Stadt zu tun gehabt hatte. Vielleicht war er ja immer noch da?
Anrufe auf Scotts Handy wurden in sein Büro umgeleitet. »Tut mir leid«, sagte die Frau in ihrem schönsten südostenglischen Dialekt. »Mr Scarman spricht mit einem Klienten und darf nicht gestört werden.«
»Wenn er mal nach Luft schnappt«, sagte Lesley, »sagen Sie ihm bitte, dass seine Exfrau mit ihm sprechen möchte.«
Scarman rief um kurz vor fünf zurück, während Lesley an ihrem Planespotting-Interview arbeitete; inzwischen hatte nämlich der Innenminister eine Erklärung im Unterhaus abgegeben und versichert, dass keine geheimen CI A-Flüge stattgefunden hätten – offensichtlich eine faustdicke Lüge –, und Lesley sah eine Chance, dass ihr Bericht doch noch seinen Weg in die Nachrichten finden würde.
»Lesley«, sagte Scarman mit einer Stimme, die gute Laune nur so versprühte, »du hättest doch nicht extra anzurufen brauchen, um dich zu entschuldigen.«
»Tu ich auch nicht.«
»Aber wenn du Lust hast, einen Schluck mit mir zu trinken, können wir uns treffen und die Sache durchsprechen. Das war doch nur ein Missverständnis, du hast emotional reagiert. Nach allem, was du durchgemacht hast, nicht weiter verwunderlich.«
|115| »Scott, würdest du bitte den Mund halten? Es gibt nichts, wofür ich mich entschuldigen müsste. Was ich will, sind dreißig Minuten mit Natalie Prince.«
Scarmans Stimme klang jetzt gepresster. »Du weißt, wie das
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