Splitterndes Glas - Kriminalroman
Interview zu geben, aber da ist sie in der verdammten ›Post‹, |108| dick und fett auf zwei Seiten.« Verächtlich ließ er die Zeitung auf Lesleys Schreibtisch fallen. »Wie kommt es, dass die das gekriegt haben und wir nicht?«
Er wartete nicht auf eine Antwort.
Lesley legte ihren Mantel über die Rückenlehne ihres Stuhls und begann zu lesen. Beim dritten Absatz hielt sie die Luft an.
Natalie Prince hält sich in der Stadt auf, um über die Hauptrolle in einem Remake von
Splitterndes Glas
zu verhandeln, einem Kultfilm aus den 1950ern. Damals wurde die Hauptrolle von ihrer Großtante, Stella Leonard, gespielt.
|109| 19. AUSSEN – HAUS – NACHT
Abend. Ein Roadster fährt auf der Einfahrt eines großen Landhauses vor. PHILIP springt heraus und umrundet das Auto, um die Wagentür für ALMA zu öffnen.
Alma steigt aus, lächelt und läuft auf die Tür zu, wobei sie den Schlüssel aus ihrer Handtasche nimmt. Sie öffnet die Tür, tritt zur Seite, lächelt Philip wieder an und lässt ihn vor sich eintreten.
20. INNEN – DIELE – NACHT
ALMA: Hallo? Jemand zu Hause?
Sie geht weiter ins Haus hinein und bleibt vor einer Tür stehen, dann dreht sie den Knauf und öffnet sie.
21. INNEN – WOHNZIMMER – NACHT
RUBY steht vor dem Kamin, mit dem Rücken zur Tür. Im Gegensatz zu ALMA, deren Kleidung ordentlich und zweckmäßig ist, trägt Ruby ein Kleid, das von Eleganz und einer gewissen Raffinesse spricht.
Als sich die Tür öffnet, sieht Ruby nach oben in den Spiegel über dem Kamin, sodass man im Spiegelbild den oberen Teil ihres Gesichts und in einer subjektiven Einstellung Alma und Philip beim Betreten des Raumes sieht.
Alma (zu Philip): Das ist meine Schwester Ruby.
Ruby dreht sich langsam zu ihnen um, und man sieht das Erstaunen auf Philips Gesicht, als er die Ähnlichkeit |110| zwischen ihnen bemerkt, die eine Schwester eine raffiniertere, stark geschminkte Version der anderen.
Alma: Ruby, das ist Philip.
Ruby (ein Lächeln umspielt ihre Mundwinkel, als sie Philip anerkennend taxiert): Wirklich?
|111| 9
Natalie Prince zeichnete sich dadurch aus, dass sie das einzige Mädchen war, das gleich zweimal von der Nottingham High School for Girls geflogen war. Die erste Strafmaßnahme erfolgte nach vielen, ganz unterschiedlichen Verwarnungen und wurde verhängt, weil sie sich während der Schulversammlung auf die Bühne der Aula schlich – als der Schulleiter gerade eine todernste Rede über Verantwortung hielt – und der gesamten Schülerschaft ihren nackten Hintern zeigte. Mit Hilfe einer beträchtlichen Spende an den Schulfonds erreichte ihr Vater ihre Wiederaufnahme. Bei der zweiten Gelegenheit wurde sie mit einem Oberstufenschüler der benachbarten High School for Boys im Musikpavillon des angrenzenden Arboretums erwischt, wo sie Dope rauchten und sich ziemlich öffentlichen sexuellen Erkundungen hingaben. Sie war damals fünfzehn und trug – jedenfalls teilweise – ihre Schuluniform. Es gab nichts, was Daddy tun konnte, außer ein Rudel Privatlehrer für Natalie anzuheuern. Sie legte ihren Schulabschluss früh ab, und nach dessen Bestehen stürmte sie die nächsten beiden Jahre durchs Clarendon College. Sie hätte an mehreren Universitäten einen Studienplatz bekommen, aber sie lehnte ab.
Inzwischen war Natalie, fast eins achtzig groß und dünn, nämlich von einer Modelagentur entdeckt worden und tauchte schnell in eine Welt der Fotoshootings und Modenschauen ein. Ja, auch das bevorzugte Schlankheitsmittel aller weiblichen Models – abgesehen natürlich von süßstoffhaltigen Limonaden und Marlboro Lights – spielte eine Rolle: eine stylische Menge an Kokain.
|112| Kate Moss war sie nicht.
Elle Macpherson würde sie nicht werden.
Aber die Fotografen mochten ihre Wangenknochen und sie mochten ihre Einstellung; wenn sie arbeitete, arbeitete sie hart, spielte sich nicht auf und ließ sie mit einem Minimum an Getue die Aufnahmen machen, die sie haben wollten. Ihr Gesicht, manchmal umrahmt von einer rabenschwarzen Perücke, manchmal hervorgehoben von ihren eigenen stachlig abstehenden Haaren, wurde den Lesern der Wochenendbeilagen und Magazine der Hochglanzklasse wie ›Heat‹ und ›Red‹ und ›Marie Claire‹ immer vertrauter.
Das Fernsehen winkte, eine Talkshow nach der anderen. Die berüchtigte Sendung, bei der sie an einer harmlosen Bemerkung des Moderators Anstoß nahm, »Schwachsinn, Opa!« rief, einen Wasserkrug umstieß und abrauschte.
Sie übernahm kleine Rollen
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