Splitterndes Glas - Kriminalroman
gehandhabt wird. Im Augenblick sind die Interviews mit Natalie sehr eingeschränkt, nichts Lokales.«
»Das war in Ordnung, bevor du sie mit der ›Post‹ hast sprechen lassen. Jetzt schlucke ich das nicht mehr.«
»Tut mir leid, Schätzchen …«
Sie hasste es, wenn er sie so nannte. »Hör zu, Scott«, log sie, »ich habe gerade mit Carl Peters gesprochen, diesem Typen von ›Sow’s Ear‹, mit dem sie mal gegangen ist. Das könnten wir natürlich als Alternative bringen.«
Scarman lachte. »Erstens, ich glaube dir nicht …«
»Frag nach, er ist wieder in Portland.«
»Und zweitens ist es Erpressung.«
»Davon verstehst du doch was.«
Dieses Mal klang Scarmans Lachen gezwungen. »Ich sage dir was. Wir treffen uns auf ein Glas und ich versuche, ob ich Natalie überreden kann mitzukommen. Halb sieben? Sieben? Im ›Poppy Club‹. Dann reden wir darüber.«
»Sieben«, sagte Lesley.
»In Ordnung.«
Die Verbindung wurde abgebrochen.
»Scheißkerl«, sagte Lesley leise zu sich selbst.
Die Tür zum Zimmer des Nachrichtenredakteurs stand offen.
»Ich glaube, ich bekomme ein Interview mit Natalie Prince.«
»Wie kommt das?«, sagte Pike.
Lesley wandte den Kopf zur Seite und lächelte. »Mein natürlicher Charme?«
|116| »Bring mir was für die Nachmittagssendung. Wir können zur Stoßzeit mit dem Trailer anfangen.«
»Ich tu, was ich kann.«
Das Dekor war angesagt, ohne überwältigend zu sein: tiefrote Polsterung, große orangefarbene, rote und gelbe Mohnblumen an den Wänden. Die Hintergrundmusik, Jazz-Soul in Light-Version, war relativ gedämpft. Die üblichen coolen Typen lungerten mit einem Glas in der Hand und dem Handy in Bereitschaft herum.
Scarman stand in einem hellen Leinenanzug an der Bar, während Natalie Prince auf einem Barhocker neben ihm saß, die Hacken ihrer schwarzen Stiefeletten in die oberste Sprosse des Hockers gehängt. Lesley sah endlos lange, in silberne Strumpfhosen gehüllte Beine und darüber ein rotes Seidentop; irgendwo dazwischen musste sich ein Fetzen von Rock befinden, aber von ihrer Position aus war er nicht sichtbar.
»Lesley! Schön, dich zu sehen«, sagte Scarman und schwang herum.
Sie erlaubte ihm, ihre Hand zu ergreifen, und ein Küsschen flog nahe an ihrem Gesicht vorbei.
»Also, Lesley, das ist die wunderbare Natalie. Nat, das ist Lesley.« Dann mit einem Grinsen: »Die frühere Mrs Scarman, keine Geringere.«
Lesley gab sich große Mühe, ihre schlechte Laune zu verbergen. Natalies Gesichtsausdruck machte ganz klar, dass ihr alles egal war.
»Was möchtest du trinken?«, fragte Scarman.
»Fruchtsaft.«
»Mit Whisky?«
»Nein, danke, nur Saft.«
»Welche Sorte?«
|117| »Ganz egal.«
Natalie trank Lager aus der Flasche. Nicht ihr erstes, wie Lesley argwöhnte. Ihr Lippenstift war sehr dunkel, fast schwarz, und über ihren Augen befanden sich sorgfältige Abstufungen von Braun; ihr Haar, kürzer geschnitten als Lesleys und mit mehr abstehenden Spitzen, hatte hier und da silbergraue Strähnchen.
»Wenn du einen Rekorder da drin hast«, sagte Scarman und zeigte auf Lesleys Schultertasche, »und ihn auch benutzen willst, sollten wir uns lieber eine ruhige Ecke suchen.«
Die Sofas waren von der Art, in der man versinkt, und die Beleuchtung in der Ecke des Raumes sollte Atmosphäre schaffen, keine Helligkeit verbreiten. Lesley war froh, dass sie die Tasten ihres Rekorders blind bedienen konnte.
»Ein paar Grundregeln«, sagte Scarman. »Nichts über diesen Unsinn neulich Abend im Hotel …«
»Ich dachte, die Polizei hätte sich breitschlagen lassen, dass keine Anklage erhoben wird?«
»Hör bitte auf das, was ich sage. Nichts über …«
»Scott, Scott«, sagte Lesley lachend. »Ich zieh dich auf, verstehst du?«
Natalie kicherte und nahm einen Schluck von ihrem Bier.
»Okay, okay. Verdammt witzig. Aber ich meine es ernst. Nichts über Natalies Privatleben, Beziehungen, vergangene Verfehlungen. Nichts über ihre Familie. Das ist tabu. Sie spricht gerne über ihre Arbeit mit Orlando, über zukünftige Projekte …«
»›Splitterndes Glas?‹«
»Vielleicht.«
»Vielleicht? Ist das nicht der Grund, aus dem Natalie hier ist?«
Scarman versuchte sich an einem eleganten Schulterzucken. » |118| Sagen wir mal, es ist nicht mehr in so trockenen Tüchern, wie wir dachten.«
»Probleme?«
»Nichts, was nicht gelöst werden kann. Eine zeitliche Verzögerung, das ist alles. Aber zahlreiche andere Projekte sind in Planung, ein
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