Splitterndes Glas - Kriminalroman
aus, als wären sie vor kurzem gebürstet, wenn nicht gar gewaschen worden.
»Weißt du, was das Problem mit diesen Magazinen ist«, fragte sie Will, als der sich einen Stuhl heranzog.
»Abgesehen davon, dass man ständig von schönen jungen Frauen in Unterwäsche abgelenkt wird?«
»Abgesehen davon.«
»Keine Ahnung.«
»Es ist fast unmöglich, festzustellen, wo die Anzeigen enden und die Artikel beginnen.«
»Synergie«, schlug Will vor. »Synthese. So etwas.«
»Will, du musst einfach damit aufhören, das Kreuzworträtsel in der ›Police Gazette‹ zu machen. Oder spielst du mit Lorraine an langen Winterabenden Scrabble?«
»Man hat ihr einen Job angeboten«, sagte Will.
»Lorraine?«
»Ja.«
»Will, das ist ja wunderbar.«
Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er ihr nicht unbedingt zustimmte.
»Warte, lass mich raten. Dieser neue Tabledance-Club! Will, du solltest stolz auf sie sein.«
»Sehr witzig.«
»Was ist es dann? Wo liegt das Problem?«
»Am King’s College. Eine Stelle im Zulassungsbüro. Schwerpunkt ausländische Studenten. Drei Tage die Woche.«
»Und um was machst du dir Sorgen? Die Kinder?«
|257| »Sie sagt, sie hat eine Lösung. Eine Tagesmutter für Susie, jemanden, der Jake von der Schule abholt.«
»Dann ist das doch prima geregelt.«
»Ich weiß nicht.«
»Will, um Gottes willen.«
»Wenn man die Ausgaben für Kinderbetreuung, Fahrtkosten, Sozialversicherung und für weiß Gott was noch alles abzieht, sehe ich nicht, dass wir viel besser dastehen.«
»Hör mal, Will. Darum geht es doch gar nicht.«
»Nein?«
»Es geht vielmehr um sie. Dass sie aus dem Haus kommt und etwas Nützliches tut. Etwas, bei dem sie ihr Gehirn einsetzen kann, anstatt nur zu Hause rumzuhängen und den ganzen Tag Kinderreime aufzusagen.«
»Vielleicht in ein paar Jahren, wenn Susie auch in die Schule kommt.«
»In ein paar Jahren könnte sie vergessen haben, dass sie ein Gehirn hat.«
»Das ist doch Scheiße.«
»Wirklich? Was würde aus dir werden, wenn du keine Arbeit hättest? Nicht die Arbeit, die du tust?«
»Das ist etwas anderes.«
»Das Prinzip ist das gleiche. Selbstachtung, Will, darauf läuft es hinaus.«
»Und die bekommt man nicht, wenn man Mutter ist? Ein Kind aufzieht? Zwei Kinder?«
»Nicht automatisch, nein. Das glaube ich nicht. Bei einigen klappt das wahrscheinlich. Und dann ist es in Ordnung. Aber Lorraine möchte offensichtlich mehr. Wer hat etwas zu verlieren? Du?«
Will schüttelte den Kopf. Er wusste nicht genau, warum, aber die Richtung, die das Gespräch nahm, gefiel ihm nicht. |258| Normalerweise vermied er es, mit Helen über Lorraine zu sprechen, besonders über Probleme zwischen ihnen. Es gab ihm ein unbehagliches Gefühl, und jetzt fühlte es sich sogar so an, als würden die beiden Frauen sich gegen ihn verbünden.
»Meine Schwester ist zu Hause geblieben«, sagte Helen. »Zwei Kinder, genau wie du und Lorraine. Nachmittags Buggyschieben, Spaziergänge im Park, Mutter-und-Kind-Gruppen, das ganze Programm. Als der Älteste zur Schule kam, hatte sie nur noch zerstampfte Kohlrüben im Kopf. Sie nahm Valium und Betablocker und war drauf und dran, wegzugehen, den ganzen Schlamassel hinter sich zu lassen. Mann, Kinder, alles.«
»Lorraine ist nicht so.«
Helen sah ihn direkt an. »Nein, ist sie nicht. Und wir wollen hoffen, dass sie nie so wird.«
Über der schwarzen Silhouette der Kathedrale verschwamm der Mond zu einem schwachen Klecks hinter Wolken. Die Felder waren hier und dort mit Spuren von Weiß bedeckt. Ein paar vereinzelte Flocken streiften Wills Gesicht, als er mit leisen Schritten über den Kiesweg auf das Haus zuging.
Nachdem er die Haustür hinter sich geschlossen hatte, blieb er ein paar Sekunden im Halbdunkel stehen, bevor er Mantel und Schuhe auszog.
Lorraine saß zurückgelehnt und mit geschlossenen Augen auf dem Sofa. Das Geräusch ihres Atems klang überraschend laut durch den Raum, ein schwaches Pfeifen, wenn sie einatmete. Will beugte sich hinunter und berührte ihre Hand, und ihre Finger rollten sich ein wenig ein, als wollte sie seine Hand umschließen.
Sie wachte nicht auf.
|259| An der Spüle ließ er das Wasser laufen, bis es kalt war, dann trank er ein Glas davon.
Als er die Tür zu Jakes Zimmer öffnete, wurde der Junge unruhig, und Will wartete, bis er zur Ruhe kam, dann ging er hinüber, stellte sich neben das Bett und sah hinab.
Im Schlafzimmer war Susie ganz an die Seite des Bettchens gerutscht; sie lag auf dem
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