Splitterndes Glas - Kriminalroman
ungefähr so groß wie Will, aber fünf oder sechs Jahre älter. Er war glatt rasiert; sein aschblondes Haar war recht kurz geschnitten; er trug eine dunkle Hose und ein blassgrünes Hemd, dessen Ärmel am Handgelenk umgeschlagen waren. Sein Jackett hing ordentlich auf der Rückenlehne seines Stuhls.
»Was Ihrer Kollegin passiert ist, tut mir leid«, sagte Parsons, als er Wills Hand schüttelte. »Sie ist auf dem Wege der Besserung?«
|251| »Sieht so aus.«
»Gut.«
Eine Thermoskanne aus Edelstahl mit Kaffee, Milch in einem Kännchen und kleine Tütchen mit Zucker in einer Schale standen auf dem Tisch.
»Was diese Sonderkommission betrifft«, sagte Will, nachdem sich alle gesetzt hatten. »Könnten Sie mich vielleicht über den Hintergrund informieren?«
Parsons nickte und trank schnell einen Schluck Kaffee. »Wir haben hauptsächlich weiter östlich, zwischen hier und Derby operiert. In den früheren Bergarbeiterstädten zum größten Teil. Eastwood. Kimberley. Heanor. Früher gingen die Jungs in die Grube runter, sobald sie alt genug waren, die Mädchen in die Textilfabriken. So war das. Da gab es keine Frage. Vor zwanzig Jahren oder so kam dann der Bergarbeiterstreik und alles änderte sich – eigentlich schon vorher. Zechen wurden geschlossen, auch die meisten Fabriken. Viele verloren die Arbeit und hatten auch keine Aussichten auf einen neuen Job. Heute verlassen Jugendliche die Schule ohne nennenswerten Abschluss, und was machen sie dann? Melden sich arbeitslos, hängen auf den Straßen herum. Langweilen sich die meiste Zeit über zu Tode.«
»Was ist mit den Rechtsextremen?«, fragte Moyles. »Gibt es da viele Aktivitäten?«
»Na klar. Das ist genau der richtige Nährboden für die British National Party. Sie bekommt viel Unterstützung in der Gegend, und es ist auch nicht schwer, zu verstehen, warum. Sie gibt den Leuten ein Forum für all ihren Frust. Oder scheint es zu tun. Manchen Leuten zumindest. Und es braucht nicht viel, damit der Frust in Gewalt umschlägt. Man sucht nach einem Sündenbock. Jemand anderes als man selbst, dem man die Schuld geben kann. Schwarze, Asiaten, Schwule, Asylbewerber.«
|252| Parsons machte eine Pause, um einen Schluck Kaffee zu trinken.
»Der Sonderkommission ist es gelungen, einen verdeckten Ermittler einzuschleusen. Bis er aufflog. Aber er hat uns Namen beschafft, Orte, Daten, sodass wir etliche Personen festnehmen konnten. Danach hat es sich beruhigt. Scheinbar.« Er schüttelte den Kopf. »Die Zahl der im letzten Jahr in Nottinghamshire angezeigten schwulenfeindlichen Übergriffe ist wieder um fast dreißig Prozent gestiegen. Nicht in der Stadt, aber außerhalb. Körperverletzungen, Belästigungen, Sachschäden. Gut, das ist teilweise darauf zurückzuführen, dass mehr Leute den Mut haben, eine Anzeige zu machen, aber nicht ausschließlich.«
»Gibt es eine Möglichkeit, die Sonderkommission wieder einzusetzen?«, fragte Will.
Parsons zuckte die Achseln. »Das war im Gespräch. Aber Sie können sich denken, dass es in erster Linie ums Geld geht. Um Personal. Um Mittel.«
Will kannte die Probleme nur allzu gut.
»Glaubst du, die Personen, gegen die die Sonderkommission ermittelt hat, könnten hinter dem Angriff in Cambridge neulich Nacht stecken?« fragte Moyles.
Parsons nahm sich Zeit für die Antwort. »Der Ort, an dem der Transporter gefunden wurde, weist darauf hin. Ich bin mir aber nicht sicher, dass diese Leute überhaupt so gut organisiert sind. Cambridge, das ist weit weg. Nicht ihr übliches Revier. Und die meisten Vorfälle – nicht alle, aber die meisten – sind in der Regel eher zufällig, folgen keinem wirklichen Plan. Sie werden normalerweise durch eine Kleinigkeit vor Ort ausgelöst. Zwei schwule Männer, die an der Bushaltestelle Händchen halten, ein flüchtiger Gutenachtkuss, solche Sachen. Aber natürlich gibt es auch Fälle, in denen das Vorgehen ganz offensichtlich im Voraus |253| geplant war, wenn zum Beispiel ein bestimmter Pub oder Club ins Visier genommen wurde oder auch eine öffentliche Toilette, die als Schwulentreffpunkt bekannt ist. Deshalb: ja, es ist möglich. Und zweifellos haben sie Kontakt zu anderen Gruppen.«
Will nickte und nahm sich noch einmal Kaffee aus der Thermosflasche.
»Von dem Fundort des Transporters einmal abgesehen«, sagte Parsons, »gibt es irgendwelche anderen Hinweise, die in diese Richtung zeigen?«
»Bislang nicht.«
»Und ich glaube, Nick hat gesagt, dass auch andere Personen beteiligt
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