Splitterndes Glas - Kriminalroman
den Reifendruck und füllte den Benzintank. Mit diesem |262| Fahrzeug barg jede Fahrt, die weiter als zum Supermarkt führte, ein gewisses Risiko. Sie hatte zwar nie Wolldecken oder eine Thermosflasche mit Kaffee auf dem Rücksitz dabei, aber vielleicht sollte sie damit anfangen.
Hinter Grantham ebnete sich das Land zu einer flachen Landschaft aus Marsch und Fenn. Hier gingen Lincolnshire und Cambridgeshire ineinander über, und Hügel gab es nur in der Fantasie. Sie hatte sich die Fahrtroute ausgedruckt, aber trotzdem brauchte sie drei Versuche, bevor sie die Straße fand: eine schmale erhobene Fahrbahn zwischen zwei Streifen dunkler Erde, neben der auf der gesamten Länge linksseitig ein tiefer Entwässerungsgraben verlief. Lesley hielt das Lenkrad ruhig und fest. Würde sie sich auch nur einen Moment lang nicht konzentrieren, könnte sie im Graben landen.
Sie kam an den niedrigen Gebäuden eines Bauernhofes vorbei, dann an einer Ansammlung klappriger Wohnwagen, die auf einem halben Morgen Schlamm gestrandet waren, bis die Straße nach rechts bog und auf eine lückenhafte Reihe von Pappeln zuführte, zwischen denen das Haus auftauchte, das sie suchte.
Hinter den Bäumen erblickte sie eine niedrige Mauer mit einer gefliesten Mauerkappe und eine dicke, dornige Hecke; das Haus hatte Fenster, aber eine Tür war nicht zu entdecken.
Lesley parkte am Straßenrand.
Um die Ecke führte ein Kiesweg nach innen zu einem Tor aus Gitterstäben, durch das man zur Rückseite des Hauses gelangte. Am Torpfosten hing ein Metallschild mit dem Wort »Drücken«. Das tat Lesley; nach ein paar Sekunden öffnete sich langsam das Tor, und sie ging hindurch.
Zwischen einigen Wirtschaftsgebäuden führte der Weg in einen Hof, auf dem mehrere Fahrzeuge geparkt waren: |263| ein schlammbespritzter Range Rover, ein ziemlich alter, aber gepflegter Jaguar und ein kleiner Vauxhall.
Das Haus selbst war L-förmig und viel größer, als es von der Straße aus wirkte; Efeu rankte auf zwei der cremefarbenen Hauswände. Die Fenster des einen Flügels waren quadratisch, die des anderen lang und schmal. Es gab eine ganze Auswahl von Türen, drei insgesamt, die alle in einem dunklen Braunrot gestrichen waren. In der Nähe der einen lehnte ein Fahrrad mit einem Weidenkorb am Lenker an der Wand, und diese wählte sie.
Sie konnte keine Klingel entdecken, also klopfte sie.
Als sie aufsah, bemerkte sie, dass sie in die Linse einer kleinen Kamera sah, die direkt über der oberen Ecke der Tür angebracht war. Automatisch hob sie die Hand und fuhr sich durch die Haare.
Nichts geschah.
Sie legte ihr Ohr an die Tür und lauschte. Ein schwaches Geräusch drang von innen heraus, das leise elektrische Heulen eines Staubsaugers.
Sie klopfte noch einmal, diesmal lauter.
Die Frau, die schließlich die Tür öffnete, war mittleren Alters und hatte straff aus dem Gesicht gebundene Haare, die hinten zu einem Knoten zusammengefasst wurden. Sie trug eine geblümte Schürze über weiten dunklen Hosen und einem hellen Oberteil.
»Ist Mr Prince zu Hause?«, fragte Lesley.
»Verkaufen Sie etwas?«, fragte die Frau. »Wir kaufen nichts an der Tür.« Lesley hatte den örtlichen Dialekt erwartet, aber das klang osteuropäisch. Polnisch? Tschechisch? Ungarisch?
»Nein, ich möchte gerne mit Mr Prince sprechen.« Lesley zeigte ihre Karte. »Ich bin von der BBC. Vom Radio. Ich möchte zu Mr Prince.«
|264| »Radio?«
»Ja.«
»Mr Prince nicht da.« Schon wollte die Frau die Tür zuschieben.
»Wissen Sie vielleicht, wann er nach Hause kommt?«
Heftiges Kopfschütteln.
»Und Mrs Prince? Ist sie da? Vielleicht könnte ich mit ihr sprechen?«
»Mrs Prince auch nicht zu Hause.«
Die Tür wurde ein Stückchen weiter zugeschoben. Lesley drückte der Frau die Karte in die Hand. »Bitte nehmen Sie das. Sagen Sie Mr Prince, dass ich hier war. Bitten Sie ihn, dass er mich anruft.«
Die Tür schloss sich mit einem zufriedenen dumpfen Knall. Solides Holz. Zugluft ausgeschlossen. Als sie den Hof halb überquert hatte, drehte Lesley sich um und sah in einem der oberen Fenster den Kopf und die Schultern einer Frau, die zu ihr herunterstarrte. Es war nicht die Frau, die an die Tür gekommen war. Dunkles Haar umrahmte ein blasses schmales Gesicht. Sie presste eine Hand an die Fensterscheibe. Lesley sah weg, und als sie noch einmal zurückschaute, war die Frau verschwunden.
Wieder im Wagen, saß sie ein paar Augenblicke lang da und wusste nicht, was sie tun sollte; dann
Weitere Kostenlose Bücher