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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Rücken und hatte den Daumen im Mund.
    Will holte eine Decke aus einer der Schubladen unter dem Ehebett und ging wieder nach unten.
    Lorraine hatte sich nicht bewegt.
    Will sagte ihren Namen, einmal und noch einmal.
    Er hob ihre Beine auf das Sofa, sodass sie mehr oder weniger lag, und dann breitete er die Decke über sie. Vorsichtig küsste er sie auf die Stirn, und sie murmelte etwas im Traum.
    Er wartete, dann ging er in die Küche zurück, füllte sein Wasserglas noch einmal und trug es nach oben an sein Bett.

24
    Lesley spuckte Wasser aus, rang nach Atem und schlug mit den Armen um sich. Erst als ihre ausgestreckte Hand den Digitalwecker umstieß und zu Boden warf, merkte sie, dass es ein Traum gewesen war. Ich bin gar nicht ertrunken, ich habe es nur geträumt.
    Lesley befreite sich vom Bettzeug und schwang ihre Füße auf den Boden. In der Dusche, wo das Radio so leise spielte, dass man die Worte gerade noch verstehen konnte, und das Wasser gegen ihren Kopf und ihre Schultern prasselte, dachte sie noch einmal an ihren Traum. Ihren Albtraum. |260| Stella Leonards Ruby lächelt wohlwollend den Mann an, der die Tugend gewählt hat. Tugend statt was? Statt des Bösen? Der Erfahrung? Des Abenteuers? Der Sexualität? Ein Leben des Geistes statt eines Lebens des Körpers? »Ich bring dich zu ihr«, sagt sie, »zu meiner Schwester.« Und dann ändert sich etwas in ihren Augen – nur für einen Moment, für den Bruchteil einer Sekunde, den nur die Kamera sieht   –, als sie den Gang einlegt und den Wagen geradewegs auf den Abgrund, die Klippe, das Meer zusteuert.
    Sie starb bei einem Autounfall,
hatte Orlando Rocca gesagt.
Ihr Vater war auch im Wagen. Nur die beiden. Stella fuhr. Aus irgendeinem Grund kam sie von der Straße ab. Keiner von den beiden hat überlebt.
    Lesley drehte sich um, stellte das Wasser ab und trat aus der Dusche, wobei sie nach einem Handtuch griff.
    Wie nannte man so etwas? Zufall? Das Leben, das die Kunst nachahmt?
    Nach dem Abtrocknen benutzte sie Feuchtigkeitscreme, kämmte sich die Haare, holte sich frische Unterwäsche und zog einen Pullover mit V-Ausschnitt und Jeans an. Sie machte sich löslichen Kaffee und ging damit zum Computer. In welchem Jahr war es passiert? 1985? Das Internet ist doch eine feine Sache, dachte sie nicht zum ersten Mal. Seit ihrem Gespräch mit Rocca hatte sie alles zusammengestellt, was sie über den Unfall finden konnte.
    Sowohl die überregionale Presse als auch die Lokalzeitungen hatten die Geschichte gebracht und dazu Bilder von Stella aus ihren späteren Tagen als Serienstar. Mehrere Berichte erwähnten ihre frühere Filmkarriere und hoben ›Splitterndes Glas‹ besonders hervor, aber erstaunlicherweise wies nur eine einzige Zeitung auf das Ende des Films hin.
    Vielleicht doch nicht verwunderlich, dachte Lesley nach |261| genauerer Überlegung, eher ein Beweis für die Tatsache, dass der Film nicht sehr bekannt und selten zu sehen war.
    Von Stellas Vater Adam hieß es, er sei ein Geschäftsmann im Ruhestand gewesen und habe sein Geld in der Industrie und mit Immobilien gemacht. Die beiden – da stimmten die Berichte überein – hatten Stellas Nichte Lily Prince besucht; sie lebte mit ihrem Mann Howard in den Fenns von Cambridgeshire. Aus Gründen, die ungeklärt waren, war ihr Wagen von der Straße abgekommen und in einen Entwässerungsgraben gefallen, der direkt neben der Fahrbahn verlief. Das Wasser darin stand so hoch, dass der Wagen schnell eingetaucht war, und Stella und Adam, die möglicherweise durch den Unfall das Bewusstsein verloren hatten, ertranken.
    Zu einem späteren Datum befand der Untersuchungsrichter auf Tod durch Unfall.
     
    Weil sie keinen Wagen des Senders nehmen konnte, musste Lesley auf den alten Peugeot zurückgreifen, den sie nur ein paar Minuten zu Fuß von ihrer Wohnung entfernt auf einem Stück Ödland gegenüber den zugemauerten Resten der alten Stadtmauer abgestellt hatte. Da sich nichts in seinem Inneren befand, das zu stehlen sich lohnte, und das Radio längst verschwunden war, war er in den vergangenen Monaten nur zweimal aufgebrochen worden, wobei der Griff auf der Fahrerseite beim letzten Mal irreparabel beschädigt worden war. Sie hoffte fast ein wenig, dass jemand ihn für eine Spritztour klauen und irgendwo schrottreif stehen lassen würde, sodass sie die Versicherungssumme – wie klein auch immer – kassieren könnte. Aber natürlich tat das niemand.
    Bei der Tankstelle hinter dem Kreisverkehr überprüfte sie

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