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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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spielten, schälte sie Kartoffeln und schnippelte Karotten. Der Schmortopf mit Schweinefleisch und Kaninchen, eines von Wills Lieblingsgerichten, war schon im Ofen.
    Als Jake unter Wills Aufsicht in der Badewanne saß und das Gemüse auf kleiner Flamme gar wurde, ging sie nach oben, um sich umzuziehen und zurechtzumachen.
    »Du siehst gut aus«, sagte Will, als sie ihren Kopf durch die Badezimmertür steckte.
    »In zwanzig Minuten ist das Essen fertig.«
    »Reicht die Zeit noch für einen Quickie?«
    »Pst«, sagte sie, die Augen auf Jake gerichtet, und lachte.
    Der Schmortopf war so schmackhaft wie immer, der Wein ließ sich gut trinken, und Jake und Susie schienen zu schlafen. Als Lorraine auf dem Weg in die Küche am Tisch vorbeikam, griff Will nach ihrer Hand und zog sie an seinen Mund. Er küsste die Hand und dann die Finger, einen nach dem anderen.
    »Das machen doch nur Teenager«, sagte Lorraine später, als sie sich aufsetzte und auf einen Ellenbogen stützte.
    »Bumsen?«
    »Auf dem Wohnzimmerteppich bumsen.«
    |275| »Wenn ihre Eltern ausgegangen sind.«
    »Oder oben im Bett liegen.«
    »Wir sind die Eltern«, sagte Will.
    »Und die Kinder liegen oben im Bett.«
    »Das kommt daher, dass sie keine Teenager sind.«
    »Noch nicht.«
    »Noch lange nicht.« Er näherte sich ihrem Gesicht und küsste sie noch einmal.
    »Hast du mit Helen geredet?«, fragte sie, als der Kuss vorbei war.
    »Über deine Arbeit?«
    »Hm.«
    Will sah in ihr Gesicht und überlegte seine Antwort. »Ja. Aber nur kurz. So nebenbei.«
    »Und deshalb hast du dir’s anders überlegt. Weil sie etwas gesagt hat.«
    »Nein, nicht nur deshalb.«
    »Du hättest es auf jeden Fall getan?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Du hättest nachgegeben.«
    »Tu ich das nicht immer?«
    »Nein«, sagte Lorraine lachend. »Nein, tust du nicht. Du bist ein echter Sturkopf, und das weißt du.«
    »Dann bedauerst du, dass du mich geheiratet hast, oder?«
    »Sollte ich das?«
    »Das musst du sagen.«
    Statt einer Antwort legte Lorraine ihre Hand auf seine Rippen und strich mit den Fingernägeln nach unten, wo sich zwischen seinen Beinen das dunkle Haar kräuselte.
    »Denkst du manchmal«, sagte sie und legte ihren Kopf auf seine Brust, »dass du sie hättest heiraten sollen und nicht mich?«
    »Sie?«
    |276| Sie biss ihn ganz leicht. »Helen.«
    »Nein«, sagte er und zog ihr Gesicht zu sich heran. »Nein, nie.«

26
    Lesley wachte früh auf und wusste nicht, warum, bis ihr klar wurde, dass sie fror. Mit verschränkten Armen und an die Brust gezogenen Knien versuchte sie, wieder einzuschlafen, und als das nicht funktionierte, entschied sie sich für ein langes warmes Bad. Sie tunkte ein paar Vollkornkekse in heiße Milch und trank Tee dazu. Als sie die Seite für die Wettervorhersage aufrief, wurde starke Bewölkung für den ganzen Tag angezeigt, bei Höchsttemperaturen von null Grad Celsius und Wind aus Nordwesten. Es war noch gar nicht lange her, dass die Sonne an der Südküste trotz des kühlen Winds schon richtig warm gewesen war. Und ein paar Tage zuvor auf der Zugfahrt nach London war sie ganz sicher gewesen, dass der Frühling gekommen wäre.
    Und jetzt das hier. Ein Tag für ihr Thermounterhemd, wenn es je einen gegeben hatte. Nur dass sie es nicht in der Schublade finden konnte. In keiner der Schubladen.
    Stephen hatte ihr einmal als Witz ein gelbes Notts-County-Trikot geschenkt, also zog sie das an. Darüber mehrere Lagen. Sie war beinahe fertig damit, alle Reißverschlüsse und Knöpfe zu schließen, als das Telefon läutete, nicht ihr Handy, sondern das Festnetztelefon. Ihre Mutter. Abgesehen von nüchternen Anrufern aus Callcentern auf dem indischen Subkontinent, die sie zum Wechsel ihres Gaslieferanten oder ihrer Bankverbindung, zu einem Sky-Abo oder einem Breitbandanschluss überreden wollten, konnte es nur ihre Mutter sein. Zuerst beschloss Lesley, |277| es läuten zu lassen, aber dann hob sie schuldbewusst den Hörer ab.
    »Ah, Lesley, ich habe gehofft, dass ich dich erwische, bevor du zur Arbeit gehst.«
    Im Verlauf der nächsten halben Stunde brach ihre Mutter mehrfach in Tränen aus, bis es Lesley endlich gelang, sich zu verabschieden, ihrem Vater Grüße auszurichten, nach Mütze und Tasche zu greifen und die Tür hinter sich zu schließen.
    Du bist eine hartherzige Hexe, schalt sie sich, als sie in die Kälte hinaustrat: Ihr Sohn ist tot, ist ermordet worden, dein eigener Bruder. Warum konntest du selbst nicht ein paar Tränen mehr vergießen?

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