Splitterndes Glas - Kriminalroman
sie sagen, er hat Gebäude errichtet, die überdauern, Gebäude mit Stil, |283| in denen die Menschen gerne leben. Ich möchte, dass sie sagen, solange er lebte, war er der Stolz dieser Stadt.«
Bekräftigendes Gemurmel und schwacher Applaus. Nur hinter Lesley wurde gedämpfter Widerspruch hörbar.
»Und dieses Gebäude«, fuhr Prince fort, »das Carl entworfen hat, sollte uns in der Tat alle mit Stolz erfüllen.«
Richter trat vor, und nachdem er den Applaus mit einer kleinen Verbeugung entgegengenommen hatte, sprach er in seiner übergenauen Aussprache mit schweizerdeutschem Akzent von seiner Intention, etwas zu schaffen, das im Einklang mit der Lage des Gebäudes am Fluss stand und dessen veränderliches Fließen mit einem Eindruck von Raum und Licht widerspiegeln sollte.
Lesley verlor für eine Weile den Faden, als er über die Formbarkeit von Materialien und den ästhetischen Kontext von Landschaft sprach, aber sie wachte wieder auf, als er einen Vergleich zwischen seinem Entwurf und einem Ozeandampfer zog.
»Hoffen wir nur, dass es nicht die ›Titanic‹ ist«, flüsterte Jerry ihr ins Ohr.
Zum Abschluss der Reden beglückwünschte der Leiter der Fachgruppe für Städtebauliche Gestaltung alle an dem Projekt Beteiligten und pries es als hervorragendes Beispiel für die qualitativ hochwertige und mustergültige Erneuerung einer Stadt, um die man Nottingham nicht nur im Rest des Landes, sondern in ganz Europa beneidete.
»Warum eigentlich nicht in der ganzen Welt, wenn er schon dabei ist?«, zischte Jerry.
Lesley indessen hatte bemerkt, dass Raymond James sich zu Howard Prince beugte und dass beide in ihre Richtung sahen. Gleich darauf trat James auf das Podium und nahm Fragen entgegen, von denen die meisten positiv und freundlich waren, ausgenommen die eines jungen Mannes im hinteren |284| Teil des Raumes, der wissen wollte, welche Gewähr es im Lichte ähnlicher, jedoch gebrochener Zusicherungen der Vergangenheit dafür gebe, dass das versprochene Freizeitzentrum Teil des Projekts bleiben würde.
James setzte dazu an, die Frage weltgewandt zu beantworten, aber Prince schob ihn einfach zur Seite und fixierte den Fragesteller mit ausgestrecktem Finger und wütendem Blick.
»Sie wollen wissen, welche Gewähr es dafür gibt? Das sage ich Ihnen. Mein verdammtes Wort.«
»Und ich denke«, sagte James mit wiedererlangter Fassung, »dass wir die Dinge an diesem Punkt gefahrlos auf sich beruhen lassen können. Ich danke Ihnen allen, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
»Also gut«, sagte Jerry, »zurück an die Arbeit.«
»Geh du schon vor«, erwiderte Lesley. »Ich möchte noch jemanden begrüßen.«
»Wie du willst.«
Prince sprach noch mit Richter, klopfte ihm auf die Schulter und schüttelte ihm die Hand. Als er sich zum Gehen wandte, preschte sie vor und fing ihn ab.
»Mr Prince. Dürfte ich kurz mit Ihnen sprechen?«
»Worüber?«
»Über meinen Bruder.«
Princes Augen verengten sich. »Ihr Bruder ist tot, Miss Scarman, und das tut mir leid. Hat man den Täter schon gefasst?«
»Noch nicht.«
»Auch das tut mir leid. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen …«
Aber Lesley wich nicht von der Stelle. »Es gibt Fragen, die Stephen Ihnen über ein Buch stellen wollte, an dem er schrieb. Eigentlich nur zur Vervollkommnung des Bildes.«
|285| »Er hat meine Antwort bekommen. Ich habe nichts dazu zu sagen.«
»Ich weiß. Ich dachte nur, dass Sie vielleicht mit mir darüber sprechen würden.«
Prince streckte die Hand aus und umschloss ihr Handgelenk mit festem Griff. »Machen Sie nicht den gleichen Fehler wie Ihr Bruder.«
Sein Atem, eine Mischung aus Wein und Tabak, schlug ihr warm ins Gesicht.
»Und der wäre?«, sagte Lesley.
»Ich denke, es waren mehrere. Ein Nein nicht zu akzeptieren war einer davon.«
Schnell zog er seine Hand weg, schob sich durch eine Gruppe von Besuchern, und war verschwunden. Lesley wartete, bis ihr Atem ruhiger geworden war, und ging auf die Tür zu, gefolgt von Raymond James’ interessiertem Blick. Die Abdrücke von Princes Fingern auf ihrem Handgelenk waren deutlich zu erkennen, und als sie zum Sender zurückgekehrt war, begannen sich leichte Blutergüsse unter der Haut abzuzeichnen.
27
An diesem Morgen hatte Helen zum zweiten Mal nach ihrer Operation langsam und vorsichtig ohne Hilfe geduscht; die Krankenschwester hatte sich nur zwischendurch vergewissert, dass alles in Ordnung war. Am Nachmittag würde sie wieder eine physiotherapeutische
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