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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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wiederaufgebaut, unter dem neuen Namen Gehani? Hat sie damals nicht die Burg und das umliegende Land vom Kaiser geschenkt bekommen? Ja, Kindchen, auch die Geneder waren kluge Leute. Sie dienten der gerechten Sache, beugten sich dem Kaiser und der Bathaquar. Daraus solltest du lernen.« Er streckte die Hand aus und griff Sinsala am Kinn. »Das Volk muss uns dienen, bis die Auserkorenen kommen. So hat unser Lehrer Rumos Rokariac es befohlen, und wenn dafür etwas Blut fließt, so ist das nicht weiter schlimm. Was passiert denn schon? Ein kleines Messerchen, ein zarter Schnitt … lustig sprudelt der Lebenssaft und macht Tathril auf unser Schicksal aufmerksam.« Er lächelte, und sein Daumen strich zärtlich über Sinsalas Hals. »Das Volk ist unruhig in diesen Tagen. Es hörte die Kunde von Troubliniens Untergang, es spürt die Heere der Goldéi nahen. Gerüchte gehen um, dass in einigen Städten ein Kind mit einer goldenen Maske erschienen sei, um die Menschen fortzubringen. Keiner weiß, wohin, keiner hat sie je wieder gesehen. Wir können nicht zulassen, dass solche Geschichten um sich greifen. Wir werden die Welt, die Tathril uns schenkte, nicht aufgeben, nicht den falschen Versprechungen glauben, dass ein fremder Kontinent zu unserer neuen Heimat werden kann. Die Bathaquar lässt sich nicht von Gharax vertreiben!«
    »Und die Goldéi?« fragte Sinsala. »Sie werden kommen und Gehani erobern, wie die troublinischen Städte.«
    »Taruba wird die letzte Stadt sein, die an sie fällt. Unsere Macht ist längst größer als ihre, denn sie werden von Tag zu Tag schwächer. Wir aber besitzen Durta Slargins Knochen!« Der Prior lachte und zog die Hand zurück. Sein fleischiges Gesicht glänzte in der Sonne. »Unser Kaiser trägt den Knochen in sich! Uliman Thayrin wird die Goldéi vernichten. Dann herrscht die Bathaquar für immer. Aber noch ist Uliman fern, eingesperrt hinter Varas gläsernen Mauern. Dort muss er seine Feinde besiegen, und dann wird er sein, was einst sein Vorgänger Are Aldra war: ein treuer Knecht der Bathaquar.«
    Sinsala blickte den Prior flehend an. »Ich bitte Euch ein letztes Mal, Levaste – hört mit diesen Ritualen auf, mit den Blutopfern. Lasst wenigstens die Kinder in Ruhe. Tathril kann nicht wollen, dass Ihr sie auch zur Ader lasst …«
    »Oh, süßes Mädchen, Tathril ist leider kein liebender Gott«, hauchte Levaste. »Er straft und nimmt, wie es ihm beliebt. Und morgen ist Tag der Ernte. Dann müssen wir uns alle in den Staub werfen und selbst Ernte halten an unseren Leibern. Die Menschen werden sich im Burghof versammeln. Sie werden zu Vinnors Terrasse emporblicken und dich sehen, dich und deine zwei Schwestern; und als Nachfahren der Gründer werdet ihr euch verblühte Rosen auf die Stirne zeichnen! Und tut ihr es nicht, wird Tathril nach Blut verlangen, so wie zu Vinnors Zeiten. Blut für den Gott, Blut für die Sphäre, um die Quellen zu besänftigen.« Er wedelte fahrig mit der Hand. »Fort mit ihr! Was habe ich mit diesem störrischen Gör zu schaffen? Hochnäsiges Genederpack … schlimmer noch als die Eltern.«
    Zwei Priester führten Sinsala zu der Tür, die zur Turmtreppe führte. Sie sah sich nicht um, verschwand ohne ein Widerwort; ganz das junge Mädchen, das sie war, machtlos und schwach. Der Prior aber zog weiter seine Kreise auf der Terrasse, zorniger als zuvor.
    »Was bildet sie sich ein? Soll froh sein, dass wir sie am Leben ließen! Wenn die Leute nicht so an Baniters Sprösslingen hingen, hätte ich sie längst beiseite schaffen lassen. Kein Mitleid, sagte Rumos stets zu mir, denn Mitleid ist Schwäche, und Schwäche führt in den Untergang! Brenne sie dir aus dem Leib, Levaste, sonst rafft sie dich dahin.« Er blieb erschöpft stehen, fuhr sich durch das graue Haar. »Als wir vor einigen Kalendern zum ersten Mal auf dieser Terrasse standen, um Ulimans Krönung zu feiern, begriff ich erst, dass sich die Prophezeiung erfüllt, Wort für Wort, so wie Rumos es versprochen hat. Gharax steht am Abgrund! Nur die Bathaquar bleibt Tathril treu, während die Feiglinge sich von ihm abwenden.«
    Er taumelte und geriet gefährlich nah an den Rand der Terrasse. Der Wind griff nach seinem Gewand und drohte ihn vom Turm zu reißen. Rasch packte einer der Troublinier seinen Arm. »Aber Rumos ist fort, Prior! Er hat uns allein gelassen. Er versprach, dass die Auserkorenen uns zur Hilfe eilen würden; dass Nhordukael sich von Mondschlund abwenden und er selbst den zweiten Auserkorenen

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