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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Wissen ausreicht … wenn wir uns vor der Quelle schützen können.«
    »Ich spreche ja nicht davon, die Quelle herauszufordern … nur ihrem Atem zu lauschen, ihren magischen Strömen.« Der Kaufmann hatte sich über den feisten Hals gestrichen; in seinen Augen hatte ein fiebriger Glanz gelegen. »Wenn Athyr’Tyrans Untergang die Sphäre tatsächlich so erschüttert hat, wie die Schriften behaupten, muss es einen Nachhall dieser Katastrophe geben … ein Wispern, ein Raunen, einen dunklen Gesang. Ich weiß, dass unsere Mitbrüder es ablehnen, auf diesem Weg Erkenntnis zu erlangen. Aber wir, wir drei … wir sind nicht so hasenfüßig! Wir schrecken nicht vor der Sphäre zurück.«
    Mit diesen Worten hatte er sich an den dritten Mann gewandt, der auf der untersten Stufe der Treppe gesessen hatte; ein hagerer Kerl, älter noch als der Kaufmann, das Gesicht schlaff, die Augen müde. Er hatte bisher geschwiegen. Nun aber war er in lautes Gelächter ausgebrochen; ein bitteres, dreckiges Lachen. »Wir schrecken nicht zurück, sagst du? Elende Krämerseele! Warst du es nicht, der mich vor zwei Wochen noch mit feigen Worten zurückgehalten hat, als ich ein gewisses Buch ins Haus Moorbruch brachte – ein Buch, das uns viel über die Geheimnisse der Sphäre verraten kann; ein Buch, das die Lügen offen legt, die aus den Legenden triefen? Damals hast du mich ausgelacht und davor gewarnt, auf gefährlichen Pfaden zu schreiten. Jetzt willst du uns selbst ins Moor führen, uns in die Finsternis stoßen, ohne Licht und Fackel. Welch ein feiges und doppelzüngiges Geschwätz!«
    »Langsam, langsam«, hatte der Kaufmann erschrocken erwidert. »Dieses Buch, Rumos, woher du es auch immer gestohlen hast, birgt keine Erkenntnisse. Es führt in den Wahn, und das solltest du als einstiger Tathril-Priester wissen. Die Schriften des Bathos spotten jedem Wissen, das die Menschen seit Durta Slargins Wanderschaft über die Sphäre gewonnen haben. Jeder weiß, was am Ende dieses Wegs wartet: Tod und Verfall, so wie damals im Tal von Nekon, als die Bathaquari mit ihrer Zauberkunst Tausende umbrachten, ein Heer auslöschten, einen Landstrich entvölkerten. Der Zauber des Tödlichen Atems … er weht aus deinem Buch, und es wäre gut, wenn du die Finger davon ließest, Rumos.«
    »Komm mir nicht mit weiteren Lügen!« hatte der hagere Mann gefaucht. »Durta Slargin hat sie in die Welt gesetzt, um uns Zauberer kleinzuhalten. Ich aber habe ihn durchschaut, dank Bathos’ Prophezeiung. Deshalb verließ ich die Kirche, deshalb verkrieche ich mich hier im Sumpf und versuche, mein Wissen zu mehren. Bin ich deshalb ein Bathaquari, nur weil ich die Sphäre von Slargins Lügen befreien will? Nein … aber ein Mann, der den Mut hat, hinter die Dinge zu schauen!« Rumos war aufgestanden, seine große Gestalt hatte unheimlich im Fackelschein geleuchtet. »Ihr wollt den Stimmen der Sphäre lauschen? Was werden sie euch einflüstern? Dieselben Lügen, die in den Schriftrollen stehen! Darauf spucke ich!«
    Aelarian hatte den alten Priester verschmitzt angesehen. »Ihr seid eben ein wacher Geist, Rumos Carputon, der sich nicht hinters Licht führen lässt. Fragt sich nur, warum Ihr ausgerechnet den Schriften der Bathaquar vertraut. Warum sollte aus ihnen die Wahrheit sprechen, wenn alle anderen Legenden Lügen sind?«
    Darauf hatte der Priester keine Antwort gewusst. Wütend hatte er sich abgewandt und sein Pferd aus dem Stall geholt. Dann war er in der Dunkelheit davongeprescht, ohne ein Abschiedswort.
    Aelarian und der Kaufmann waren auf der Treppe sitzen geblieben und hatten ihm nachgeblickt.
    »Er wird sich schon beruhigen«, hatte Aelarian gesagt. »Du weißt, wie wankelmütig er ist … großspurig an einem Tag, zaghaft am nächsten. Er wird es nicht wagen, den Irrpfad der Bathaquar einzuschlagen.«
    Der Kaufmann hatte mit den Achseln gezuckt. »Hoffentlich behältst du recht. Doch vielleicht ist es besser, ihn nicht noch einmal mit meinem Vorschlag zu behelligen. Rumos ist zu zerrissen, um sich der Sphäre zu öffnen. Du aber, Aelarian, hast den Mut und die innere Kraft. Du schreckst nicht vor der Wahrheit zurück.«
    In dieser Nacht hatte Aelarian von Mondschlund erfahren, dem Blender, dem Herrn der Schatten, Durta Slargins Widersacher und früherem Schüler der Kahida. Er hatte aus der Hand des Kaufmanns die Mondsichel empfangen, unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Kurz darauf hatte er zum ersten Mal Mondschlunds Stimme gehört, erst verhalten, dann

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